Darkover 24 - Die Schattenmatrix
Sie war im Turm von Neskaya, und der Sturm, der die letzten beiden Tage gegen die Mauern gepeitscht hatte, zog langsam ab. Margaret fiel auf, wie wetterkundig sie in der kurzen Zeit geworden war, und hatte das angenehme Gefühl, vorangekommen zu sein. Das Wetter vorauszusehen war sehr viel leichter, als telepathische Fähigkeiten beherrschen zu lernen.
Sie hatte wieder geträumt. Erst dachte sie, sie hätte von den Schlafsälen an der Universität geträumt, aber nun erinnerte sie sich wieder an den Ort mit den endlosen Fluren. Sie hatte wieder nach etwas gesucht. Sie seufzte, drehte sich zur Seite und kuschelte sich in die Decke.
Was hatte sie wohl gesucht? Wenn sie sich doch nur erinnern könnte!
Sie hatte das Gefühl, als ob sie ihr ganzes Leben lang durch düstere Flure an verdunkelten Zimmern vorbeigelaufen wäre und nach etwas gesucht hätte. Früher waren diese nächtlichen Ausflüge oft voller Schrecken gewesen. Inzwischen kannte sie die Quelle dieser Erinnerungen, und sie jagten ihr keine Angst mehr ein. Oder, wenn sie ehrlich war, nicht mehr ganz so viel.
Istvana Ridenow, ihre Lehrerin und inzwischen auch ihre Freundin, war der Meinung, dass Margaret den Schatten, den Ashara Alton all die Jahre über sie geworfen hatte, wahrscheinlich nie mehr ganz loswürde. Sie hatte Margaret in
Techniken unterrichtet, die Geist und Seele beruhigten, und das hatte viel geholfen. Doch immer noch genügte allein der Gedanke an jene schreckliche Frau, die Margaret als Kind in ihren Bann geschlagen hatte, und sie zitterte am ganzen Körper. Der Verstand sagte ihr, dass Ashara nicht mehr existierte. Sie selbst hatte vor Monaten zerstört, was von der Bewahrerin übrig gewesen war. Gefühlsmäßig war sie hingegen noch nicht restlos überzeugt.
Margaret Alton roch die mit Balsam parfümierten Decken und Laken, die ihren Körper einhüllten, aber sie bemerkte auch den seltsamen Geruch der großen energiegeladenen Matrizen, die über ihr arbeiteten. Wenn sie nach oben blickte, sah sie die Seidenbahnen, die von der Decke hingen und riesige Schatten ins Zwielicht des Zimmers warfen. In einer Ecke stand ihre kleine Harfe und daneben eine Holografie von Lew und Dio, darüber hinaus enthielt die Kammer jedoch nur wenig Persönliches. Margaret hatte auf dem Markt, den sie mit Caitlin Leynier besucht hatte, zwar einige nette Dinge entdeckt, aber sie kaufte nur ein paar Umhängetücher und einen Satz Unterröcke. Sie konnten nicht der Qualität von Aarons Kleidung standhalten, und Margaret wusste, dass sie in dieser Hinsicht einfach zu verwöhnt war. Sie wäre in weniger als einer Stunde zur Abreise von Neskaya bereit gewesen. Warum widerstrebte es ihr nur so, sich hier häuslich einzurichten? Vielleicht lag es daran, dass ihr Leben so unstet gewesen war, bevor sie nach Darkover kam. Margaret wusste, dass diese allzu simple Erklärung nicht der wahre Grund für ihr Unbehagen war, Neskaya für einige Zeit zu ihrem Zuhause zu machen. Trotz Istvanas Bemühungen und des herzlichen Empfangs durch die anderen Bewohner des Turms blieb sie eine lustlose Schülerin.
Ungeachtet ihrer gegenteiligen Anstrengungen war Margaret sehr unruhig. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass sie nicht lange in Neskaya bleiben würde. Sie konnte dieses Gefühl nicht genau benennen, aber es war da, weniger stark als eine Vorahnung, aber deutlich genug, um sie zu beunruhigen. Sie hatte ihre Gefühle Istvana gegenüber nicht erwähnt und sich die größte Mühe gegeben, sie zu verbergen. Doch Caitlin hatte Margaret schon mehrmals gefragt, was sie quälte, und sie hatte irgendwelche Ausreden erfinden müsse und kam sich hinterher furchtbar verlogen vor. Ihr Gefühl war nicht logisch erklärbar, und nachdem sie sich jahrelang auf die Logik verlassen hatte, stand sie ihm sehr misstrauisch gegenüber.
Bereits nach sechs Monaten kam es Margaret so vor, als hätte sie ihr ganzes Leben auf Darkover verbracht, und ein nicht eben ruhiges Leben dazu. Nein, es waren jetzt schon fast sieben Monate, und Margarets Herz schlug eine Spur schneller. Bald würde Rafaella kommen und sie zu Mittwinter nach Thendara begleiten. Es war alles schon vorbereitet. Wenn ihr die Winterstürme keinen Strich durch die Rechnung machten, würde sie schon bald ihren Vater und Mikhail wieder sehen. Margaret verscheuchte mit aller Strenge ihre Ängste. Der Gedanke an Mikhail war zu schmerzlich, um bei ihm zu verweilen.
Margaret streckte die Hand in dem Handschuh unter der Decke hervor und betrachtete
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