Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
blutrünstig zu sein. Doch dann wurde ihm klar, dass ihn sein Onkel nur ein bisschen aufgezogen hatte, dass es gar nicht als Rüffel gemeint war, so wie er es aufgefasst hatte. Er war es einfach nicht gewöhnt, dass jemand auf Herms Art zu ihm sprach, und nahm alles zu ernst.
Irgendwen – vielleicht Danilo Ardais – hatte er einmal sagen hören, dass Gewalt immer neue Gewalt gebiert, deshalb war seine momentane Entgleisung vielleicht völlig normal.
Aber zusammen mit seinen früheren Gedanken über Illonas spärlich bekleideten Körper beschlich ihn das Gefühl, als würde er sich selbst nicht mehr kennen. Hoffentlich wurde er nicht zu dem widernatürlichen Ungeheuer, als das Javanne ihn andeutungsweise oft hingestellt hatte.
Nachdem er Lew erreicht und ihm alles mitgeteilt hatte, was seit ihrem letzten Kontakt vorgefallen war, sank er erschöpft aufs Bett. Sein Magen knurrte. Trotz eines ausgiebigen Abendessens vor erst wenigen Stunden war Domenic sehr hungrig. Es kam ihm vor, als hätte er seit mindestens zehn Tagen nichts gegessen! Daran erkannte er, dass er sein Laran falsch benutzt hatte, nicht nach der Methode, die ihm seine Mutter beigebracht hatte und die weniger Energie erforderte als die Methode, die in Arilinn und den anderen Türmen noch immer gelehrt wurde. Er erdete sich nicht richtig.
Die Luft im Zimmer erschien ihm stickig, er musste nur eine Weile nach draußen. Trotz der Verlockung des Schlafes quälte er sich aus dem Bett. Sein Kopf war voller Bilder von dem toten Fremden, und er wollte sie vertreiben. Er hatte den Mann nicht einmal gekannt, aber der Mord schien seine Gedanken in einer Weise zu beherrschen, auf die er keinen Einfluss hatte.
Er stieg die Treppe hinab und verließ das Gasthaus. Der Hof war nun menschenleer, nur ein Stallknecht fegte einen Aschehaufen von den Steinen. Der Knecht blickte auf, als er Domenics Schritte hörte, und schüttelte den Kopf. »Traurige Geschichte, das.« »Ja.« Einer der Gardesoldaten tauchte aus dem Dunkel auf und nickte Domenic zu. Dann schickte er sich an, ihn zu begleiten, blieb aber auf ein Zeichen des Jungen hin stehen. »Ich schnappe nur ein bisschen frische Luft.« Der Brandgeruch verlor sich mit dem Regen, und die durchweichten Trümmerhaufen waren in der Finsternis kaum auszumachen. Domenic überquerte den Schauplatz der Verwüstung und ging aus dem Innenhof hinaus, bis er etwa hundert Schritte vom Gasthaus entfernt auf eine kleine Baumgruppe stieß. Er spürte, dass der Gardist ihm in einigem Abstand folgte und ein Auge auf ihn hatte, ohne sich einzumischen.
Domenic achtete nicht auf den Regen, er bemerkte weder das Fehlen seines Umhangs noch die Kälte, die ihn langsam durchdrang. Er schloss die Augen, atmete tief und langsam durch und dachte an nichts außer die Erde unter seinen Füßen.
Nach einigen Minuten begann die Kraft in seine Glieder zurückzukehren. Schwach hörte er das weit entfernte Murmeln im Herzen der Welt, und diesmal zweifelte er nicht daran.
Versunken in die Geräusche und die Wahrnehmung der Welt unter seinen Füßen, verbannte Domenic alle Gedanken an das, was in dieser Nacht vorgefallen war. Das war zunächst schwierig, selbst mit dem beruhigendem Rhythmus des Planeten in seinen Adern, aber nach einer Weile fühlte er sich wieder im Gleichgewicht – er war weder Ungeheuer noch Spion, sondern nur er selbst, Domenic Gabriel- Lewis Alton-Hastur.
Obwohl es nur leicht nieselte, war er völlig durchnässt, als er sich wieder dem Gasthof zuwandte, aber innerlich so heiter, wie er nur hoffen konnte. Der Gardist stand mit hochgezogener Kapuze da und beobachtete ihn. Domenic nickte ihm lächelnd zu und fragte sich, was der Mann wohl dachte, weil er in den Regen hinausging. Wahrscheinlich nichts.
Trotz seiner erneuerten Energien hatte Domenic noch Appetit auf eine weitere Mahlzeit. Er betrat den Schankraum, wo drei oder vier der pensionierten Gardesoldaten aus Thendara und einer von den Ortswachposten friedlich beisammensaßen und tranken. Hannah, die ältere der beiden Schwestern, war ebenfalls da, sie lächelte ihn an, schüttelte den Kopf über seine nasse Kleidung und reichte ihm ein kleines Handtuch. Er bat um etwas zu essen, und nach wenigen Minuten bekam er eine Schüssel Eintopf mit Brot und Käse serviert, dazu einen halben Krug braunes Bier.
Als er das Mahl allmählich beendete, sah er, wie Vancof das Gasthaus von der Rückseite betrat und zur Treppe ging. Rasch senkte er den Kopf über die Schüssel, aber der
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