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Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters

Titel: Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sollte er das Problem lösen? Da knurrte Herms Magen, und er gab erschöpft auf. Er hatte keine andere Wahl gehabt. In absehbarer Zeit würde er sowieso nichts in Ordnung bringen, schon gar nicht mit einem leeren Magen – er konnte also ruhig etwas essen. Wenigstens dabei würde er niemandem wehtun.

9
    Domenic verbrachte den restlichen Nachmittag damit, seine Flucht aus der Burg zu planen. Er empfand eine übermütige Freude, die ihm völlig neu war. Trauer und Angst verblassten zu schwachen Schatten, obwohl es schwieriger war, als er sich vorgestellt hatte, einen Weg aus dem riesigen Gebäude zu finden. überall liefen Diener herum, und die meisten Ausgänge waren streng bewacht. Er würde viel herumschleichen müssen, worin er nicht gerade viel Übung hatte. Doch je mehr er darüber nachdachte, desto verlockender erschien ihm der ganze Plan. Es war wirklich alles sehr sonderbar, und wenn er sich gelegentlich einen kritischen Gedanken erlaubte, fühlte er sich wie von einem boshaften Kobold besessen.
    Die Sache hätte sich einfacher gestaltet, wäre für den Abend nicht ein offizielles Bankett geplant gewesen. Aber die Ankunft seiner Großeltern sowie mehrerer anderer Mitglieder des Rats der Comyn erforderte ein solches Mahl, und Domenic wusste, dass man mit seiner Anwesenheit rechnete. Er konnte sich nichts vorstellen, das er weniger gern getan hätte, als einige Stunden mit Javanne zu verbringen, die ihn wütend anstarren, oder – noch schlimmer – so tun würde, als wäre er Luft. Und Gareth Elhalyn dürfte ebenfalls anwesend sein. Was hatte sein Vetter nur an sich, das ihn so beklommen machte?
    Andererseits würde es sicherlich ein interessantes Abendessen werden, da Herm Aldaran und seine Familie ebenfalls daran teilnahmen, und vielleicht würde das Javanne ablenken, so dass sie ihm nicht allzu viel Beachtung schenkte.
    Minutenlang war Domenic nahe daran, seine verrückte Idee fallen zu lassen. Er schwankte zwischen Begeisterung und Verzweiflung, fürchtete sich vor den Folgen und war gleichzeitig wie gebannt. Dann schimpfte er sich einen Feigling. Rhodri würde sich mit so kleinlichen Erwägungen wie Pflicht und gutem Benehmen nicht lange aufhalten. Vielleicht sollte er ihn um Hilfe bitten. Sein Bruder kannte alle Schleichwege und nur selten benutzen Korridore des Gebäudes und nutzte sie oft für seinen eigenen Dummheiten. Aber Domenic verwarf diesen Gedanken. Rhodri würde ihm zwar bestimmt zeigen, wie man entkam, würde aber auch darauf bestehen, mitzukommen. Und was wäre das für ein Abenteuer, wenn er seinen kleinen Bruder mitnahm? Außerdem steckte der ohnehin die meiste Zeit in irgendwelchen Schwierigkeiten, und es würde seinen Eltern gar nicht gefallen, wenn er ihn in noch weitere brachte. Darüber musste Domenic ein wenig lachen, weil er wusste, er machte sich etwas vor. Die nackte Wahrheit war, dass er fliehen wollte, ohne dass es jemand mitbekam, auch – oder gerade – sein Bruder.
    Aber wie sollte er um das Abendessen herumkommen? Er zermarterte sich das Gehirn, ohne dass ihm auf Anhieb etwas eingefallen wäre. Als er es schon beinahe aufgeben wollte, kam ihm Ida Davidson zu Hilfe. Die alte Frau gehörte zu seiner Familie, solange er denken konnte, und er fand, sie müsste eigentlich seine Großmutter sein, nicht Javanne. Er konnte sich kaum an Diotima Ridenow erinnern, Lews Frau, die gestorben war, als er etwa fünf Jahre alt war. So hatte Ida den Platz eingenommen, der einer Großmutter gebührte. Sie hatte sich seine kleinen Kümmernisse angehört, ohne dass er sich wie ein Trottel vorkam, hatte ihm Musikunterricht erteilt und ihm das Singen beigebracht, als sich herausstellte, dass er zwei linke Hände für Klavier, Gitarre oder überhaupt jedes Instrument hatte, das komplizierter als eine Trommel war. Seine Eltern waren beide sehr musikalisch, aber er und Rhodri schienen es nicht zu sein. Idas Freundlichkeit und Geduld hatten ihm über sein Gefühl der Unzulänglichkeit hinweggeholfen, und mittlerweile sang er immerhin gut genug, um sich nicht zu blamieren. Nach dem Stimmbruch hatte er einen passablen Tenor entwickelt und sogar Spaß an dem kleinen Quartett, das aus ihm und Rhodri sowie Gabriel und Damon bestand, den beiden jüngeren Kindern seines Onkels Rafael.
    »Domenic«, sprach die alte Dame und musterte ihn aus kurzsichtigen Augen. »Geht’s dir gut? Du siehst ein bisschen angegriffen aus.« »Wer, ich?« Er dachte kurz über ihre Bemerkung nach und strahlte dann innerlich.

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