Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
er in jener schrecklichen Nacht im Halbdunkel des Schlafzimmers ausgesehen hatte, wie sich seine Pupillen selbst bei der ungenügenden Beleuchtung noch zusammengezogen hatten. Der verzweifelte Ausdruck auf seinem für gewö hnlich ruhigen, vertrauten Gesicht hatte sie so sehr erschreckt, dass sie nicht einmal Fragen stellte, sondern einfach tat, was er verlangte.
Sie hatte die Angst in der winzigen Kabine auf dem Schiff ausgehalten und beim Umsteigen auf Vainwal. Katherine schluckte schwer und öffnete den Mund, um endlich eine Erklärung zu verlangen, aber der eisige Wind entriss ihr die Worte und löste ihren Dutt auf. Sie sah, dass der Gepäckträger, den man ihnen zugeteilt hatte, direkt hinter ihr war, und zwang sich, die Fragen nicht zu stellen, die ihr auf der Zunge lagen. Stattdessen fluchte sie heftig in ihrer Renney-Mundart, machte ihrer Angst und Wut in farbigen Ausdrücken Luft, ohne sich darum zu kümmern, ob ihr Sohn ein paar Schimpfwörter aufschnappte. »Du hättest mich vorwarnen können, dass wir hier in einen Sturm kommen.« Ihre Worte klangen matt im Vergleich mit denen, die sie gern losgeworden wäre.
Herm sah zu, wie Katherine ihr langes schwarzes Haar bändigte und die Strähnen wie Peitschenschnüre aus dem erschöpften Gesicht zog. Sie besaß ein lebhaftes Temperament, seine Kate, Und dass man sie mitten in der Nacht aus ihrem Bett zerrte und dann ohne vernünftige Erklärung durch die halbe Galaxis verfrachtete, hatte ihre Selbstbeherrschung bis zum Äußersten strapaziert. Er hatte die Fragen, die in ihr aufstiegen, ein paar Mal aufgefangen – nach telepathischen Maßstäben hatte sie praktisch geschrien – und wusste, was es ihr abverlangt hatte, sie zurückzuhalten. Nur Kates Einsicht, dass ihr Diplomatengatte nicht offen sprechen würde, solange die Föderation mithörte, hatte ihn bislang vor einem zermürbenden Kreuzverhör bewahrt. Stattdessen war er mit kaltem Schweigen gestraft worden, was seiner Meinung nach noch schlimmer war.
Aber Herm musste unwillkürlich lachen, auch wenn er wusste, dass er sie damit noch wütender machte, als er den wunderbaren, reinen Herbstgeruch wahrnahm, der von Westen kam. Er konnte nicht anders. Die beißende Kälte strich ihm über die Wangen, erfrischend und vertraut, aber es lag noch keine Spur von Schnee in ihr. Er hatte vergessen, wie es sich anfühlte, und erst in diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass Heimweh sein täglicher Begleiter gewesen war. Seit mehr als zwanzig Jahren war er nicht zu Hause gewesen, und das war zu lange.
Nun legte er den Arm um Kates schlanke Taille und zog sie an sich. Er spürte die Wärme ihres Körpers und roch den schwachen chemischen Duft des Lufterfrischers aus dem Raumschiff. Sie wehrte sich gegen seine Berührung, und er ließ sie widerstrebend los.
»Ein Sturm?. Davon kann keine Rede sein, Kate. Das ist nur eine frische Brise.« Er schnupperte kennerhaft und sprach unbefangener, als ihm zu Mute war. »Aber ich wäre überrascht, wenn es nicht vor Einbruch der Nacht noch regnen würde.«
Amaury, der das dunkle Haar und die blasse Haut seiner Mutter hatte, sah seinen Stiefvater skeptisch an, während sich Terese zitternd an sein Bein lehnte. Herm beugte sich vor und hob die Kleine in die Höhe, auch wenn sie dafür schon ziemlich groß war. Sie war ein hübsches Ding, mit dem roten Haar und den grünen Augen, die in der Aldaransippe so verbreitet waren. Tatsächlich sah Terese seiner Schwester Gisela sehr ähnlich, als diese im selben Alter war. »Ist es hier immer so kalt, Papa?« Vertrauensvoll schmiegte sie sich an seine Schulter. Sie hatte noch nie Schnee gesehen, und in dem künstlichen Klima, in dem sie ihr bisheriges Leben verbracht hatten, fiel nie Regen.
»Nein, Kleines. Das ist noch gar nichts im Vergleich zum Winter. Aber bald werden wir in einer warmen Kutsche sitzen – vorausgesetzt, Lew hat die Nachricht erhalten, die ich ihm von Vainwal geschickt habe – und dann in einem hübschen, warmen Haus.« Er zeigte über die spitzen Dächer Thendaras. »Siehst du das große Gebäude dort oben auf dem Berg?
Dorthin fahren wir, glaube ich.« Er hatte den riesigen Bau noch nie gesehen, aber das musste Burg Comyn sein.
Selbst aus der Ferne wirkte sie gewaltig. Das Weiß des Mauerwerks leuchtete in der Nachmittagssonne, und Herm konnte Wimpel und Flaggen auf den Türmen und Vorsprüngen flattern sehen. Auf einer Seite stand eine dunkle Ruine, als wäre ein Teil des Gebäudes vom Blitz getroffen und nicht
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