Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
innerlich verändert, ihn an Orten verletzt, wo man die Narben nicht sah. Die Vorstellung, was man alles mit ihm gemacht hatte, fuhr ihr wie eine schnelle, harte Faust in den Magen.
Das Mondlicht wurde weicher, ließ neue Schatten auf Gabriels Gesicht entstehen, und plötzlich wusste Nick, warum er ihr so vertraut vorgekommen war. Sie hatte ihn schon hundertmal gesehen. Sie hatte sein Profil auf Servietten in Cafés, mit einem Stück Treibholz in den Sand und mit den feinen, unauslöschlichen Linien der Liebe an einem geheimen Ort in ihrem Herzen gezeichnet.
Mein Grüner Mann. Mein Traummann.
»Ich werde dir nicht wehtun«, sagte sie, ein bisschen erschüttert darüber, dem, was sie bis vor zehn Sekunden noch für ein Produkt ihrer Fantasie gehalten hatte, von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. »Ich schwöre dir, ich bin nicht wie sie.«
»Du bist ein Mensch.«
Er hatte vielleicht ein Recht auf ein bisschen Bitterkeit, aber sie würde sich eine so abfällige Scheiße nicht von ihm bieten lassen. Selbst wenn er ihr Traum-Waldliebhaber war. »Ich bin der Mensch, der deine Ketten durchgeschnitten hat, Vampir.«
»Mein Name ist Gabriel , nicht Vampir.« Er beugte sich vor, um sich erneut Wasser ins Gesicht zu spritzen, bevor er sich aufrichtete und zu ihr umdrehte. Das Wasser lief über seine Brust, suchte sich seinen Weg durch den Irrgarten aus dunkelgrünen Narben. »Jede Sekunde, die du mit mir zusammen bist, bringt dich in Gefahr. Das weiß ich. Du musst mich verlassen. Jetzt.«
Er klang nicht wütend. Alle Emotionen waren aus seiner Stimme gewichen. Das konnten sie alle gut, Befehle geben, nichts empfinden. Nick wusste das, und es war ihr trotzdem egal. »Okay, Gabriel. Aber beantwortest du mir eine Frage, bevor ich gehe?«
»Wenn ich kann?«
»Warum träume ich seit Monaten von dir?« Sie wartete auf eine Antwort von ihm. Als keine kam, brannten ihre Wangen. »Okay.« Jetzt hielt er sie für verrückt. »Schon gut.«
Er nahm ihren Arm und drehte sie zu sich herum. »Was ist mit deinen Träumen?«
Der Duft von einer vom Blitz getroffenen Tanne brannte Nick in der Nase. »Na ja, ich treffe dich irgendwie ständig darin. Du warst dann anders: ganz grün, als wärst du eine Jadestatue. Außerdem hattest du Haare aus Tannennadeln, und du warst nicht so dünn. Aber du warst es. Dein Gesicht, dein Haar, alles ist genauso.«
»Es ist Nacht. Du kannst mich nicht richtig sehen.«
»Ich kann dich gut genug sehen.« Sie legte eine Hand auf seine Brust – sie konnte einfach nicht aufhören, ihn anzufassen – und stieß mit ihrer linken Hüfte an seine rechte. »Es klingt verrückt; okay, das weiß ich. Ich habe dich im richtigen Leben nie gesehen, und trotzdem bist du da, mit leuchtend grünen Augen, grünen Narben, und du riechst wie ein Weihnachtsbaum. Mein Traummann in Fleisch und Blut.«
»Zufall.« Er deutete auf die Umgebung. »Wir sind in einem Tannenwald. Ich sehe vielleicht anderen Männern ähnlich, die du früher kanntest.«
Er log sie schon wieder an, um sie zu schützen.
»Ich weiß, dass ihr Typen alle so lecker riecht, aber ich bin noch nicht so vielen grünäugigen, grünnarbigen Vampiren begegnet.« Sie trat einen Schritt zurück, um ihn von Kopf bis Fuß zu betrachten. »Also, bisher bist du wirklich der Einzige.«
Er streckte die Arme nach ihr aus, machte dann jedoch eine wegwerfende Handbewegung daraus. »Was immer das für Träume waren, sie machen dich nicht verantwortlich für mich, Nicola.«
»Manchmal sind Träume nur eine verdrehte Form der Realität«, murmelte sie. »Ich weiß, dass du mich nicht sehen kannst, aber hast du nie von einer Frau geträumt, die du noch nie gesehen hast? Ungefähr eins achtundsechzig groß, eher dünn, schwarze Lederjacke?«
»Ich träume nicht.« Sein Duft wurde intensiv. »Geh. Jetzt.«
»Du musst das Lügen unbedingt üben – du bist grottenschlecht darin. Und was würdest du tun, wenn ich dich hier wirklich allein lasse?« Sie sah, wie er die Stirn runzelte. »Du kennst niemanden. Du weißt vermutlich nicht mal, wo du bist.«
»In St. Valereye. Einem Dorf östlich von Bordeaux.«
»Okay, dann weißt du es eben«, gestand sie ihm zu. »Aber wie willst du irgendwo hinkommen? Du bist blind, halbnackt und barfuß. Willst du dir mit Braille den Weg aus dem Wald suchen?«
Er hob das Gesicht zum Mond auf, den er nicht sehen konnte. »Der Wald ist meine Heimat.«
»Wer bist du, Bambi?« Sie war kurz versucht, ihr Versprechen, ihm nicht
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