Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
»Bist du mit jemandem zusammen, Mann?«
Jamys schüttelte den Kopf.
»Bei dem Haar dachte ich mir das schon.« Decree zog eine Karte und einen Stift aus der Tasche und schrieb eine Nummer darauf. »Das hier ist mein Handy. Wenn du was brauchst, ruf an.«
Jamys nahm die Karte entgegen. Er konnte kein Telefon benutzen, aber es war eine freundliche Geste.
»Kennst du mein Mädchen, Pure?« Decree nickte zum Türrahmen hinüber, wo ein großes Mädchen mit gebleichten Haaren wartete.
Jamys hatte sie im Hafen gesehen. Sie hatte ein Gesicht wie eine Botticelli-Madonna, und sie gehörte zu den wenigen Frauen, die ihm keinen Sex angeboten hatten. Er nickte ihr zu.
»Es arbeitet ein neuer Typ hier, der früher mal Priester war«, meinte Decree. »Ein Kerl namens John. Er kennt meine Familie und will mir was Gutes tun – kennst du solche Leute?« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Wenn sie Ärger mit ihm hat, und ich bin nicht da, würdest du dich dann um sie kümmern?«
Jamys zuckte mit den Schultern. Er mochte Priester nicht, aber er würde keinen Mann angreifen, nur weil er jemandem helfen wollte.
»Jay ist die meisten Nächte nicht da, Decree«, meinte Pure. »Genau wie du. Und John macht mir keinen Ärger.«
Der Junge musterte ihn schärfer. »Gehst du heute Abend raus, Mann?«
Jamys nickte und blickte das Mädchen an.
»Nein, sie geht nirgendwohin. Ich lasse mein Mädchen nicht mehr auf der Straße arbeiten.« Decree ging zu Pure und küsste sie. »Er scheint okay zu sein, also halte dich an ihn. Ich komme morgen wieder vorbei.« Er ging und ließ das Mädchen mit Jamys allein.
Pure lächelte ihn an. »Er macht sich Sorgen um mich. Gibt hier eine Menge Arschlöcher.«
Jamys zog sich seine Hose an und stand auf. Als er es tat, kam Pure herein und schloss die Tür. Er beobachtete sie, während er sich fertig anzog, aber sie schien damit zufrieden zu sein, lächelnd an der Wand zu lehnen.
»Du redest wirklich nicht viel.« Pure ging auf ihn zu und legte ihre Hand an sein Gesicht. Als Jamys ganz still stehen blieb, runzelte sie die Stirn. »Ich werde dich nicht schlagen, Jay. Die Etiketten hängen raus.« Sie fasste in seinen Nacken und schob sie in seinen Kragen zurück. »Mmm. Du riechst toll. Wie ein Wald. Was ist das?«
Der Kontakt ließ Jamys’ dents acérées in seinen Mund schießen, und sein Duft intensivierte sich. Er hatte nicht gejagt, bevor er sich auf die Suche nach seinem Vater gemacht hatte; Hunger schärfte seine Sinne und machte ihn wachsamer. Das Mädchen hier war jedoch eine Versuchung. Die Tür war geschlossen; niemand würde hereinkommen.
Als habe sie seine Gedanken gehört, erbleichte Pure. »Scheiße, scheiße.« Sie fing an zu schwanken, und er fing sie mit einem Arm auf, bevor sie hinfiel.
Pure , dachte er, während er sie aufs Bett legte. Sie war völlig schlaff. Wach auf .
Ein paar Sekunden später öffnete sie die Augen. »Wo zur Hölle … Oh.« Sie entspannte sich und fiel zurück in sein Kissen. »Ich hasse es, wenn das passiert.« Sie drückte eine Hand auf ihren flachen Bauch und zog eine Grimasse. »Tut mir leid.«
Jamys war hin und her gerissen. Offensichtlich war sie krank, deshalb konnte er ihr Blut nicht trinken. Er musste gehen und Thierry suchen, aber er wollte sie hier nicht allein lassen. Er berührte ihre Wange. Ich hole jemanden .
Pure schmiegte sich in sein Kissen. »Kann ich in deinem Zimmer bleiben? Alle haben Angst vor dir, also werden sie mich in Ruhe lassen, wenn ich hier bin.«
Alle hatten Angst vor ihm? Jamys war das nicht bewusst gewesen. Manchmal reagierten Menschen so auf Darkyn – als würden sie irgendwie spüren, dass sie für diese nur Nahrung waren –, aber er hatte nicht bewusst versucht, sie zu ängstigen. Bist du krank? Brauchst du einen Arzt?
»Noch nicht.« Sie schloss die Augen, und ein paar Augenblicke später war sie eingeschlafen.
Jamys legte eine Decke über sie, bevor er das Zimmer verließ. Auf dem Weg in den ersten Stock bemerkte er, wie die anderen Bewohner des Hafen ihm Platz machten, während er durch den Flur ging. Mehr oder minder alle Jungen und Mädchen hatten Angst vor ihm. Aber warum? Jamys war sicher, dass er nichts getan hatte, um so viel Misstrauen hervorzurufen.
Am Ende der Treppe saß ein Mann bei einem Mädchen mit einem großen Kopf, das roch wie ein viel besuchtes Plumpsklo. Er hatte dunkle Haare, also war er nicht Hurley, der Mann, den Jamys an seinem ersten Abend im Hafen getroffen hatte. Er hielt auf
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