Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
seid, Meister .« Sacher setzte sich auf und stöhnte ein wenig, als seine von Arthritis geplagten Gelenke gegen die Bewegung protestierten. »Wilhelm hat gesagt, Ihr wart beim Lighthouse. Geht es Miss Lopez gut ?«
»Ja, ich war dort .« Er blickte Will an, der zu ihnen kam und Gregor unterhakte, nachdem Valentin dem alten Tresora auf die Füße geholfen hatte. »Wir reden morgen weiter. Jetzt ruh dich aus, mein Freund .«
Jaus sah seinem Tresora und dessen Enkel nach, bis sie sicher im Haus verschwunden waren, dann goss er sich ein Glas Blutwein ein. Er trank es schnell aus, füllte das Glas noch einmal und nahm es mit zur Ufermauer.
Das Licht des Vollmonds ließ das Seewasser schwarz und bodenlos aussehen und überzog die Kiesel am Ufer mit Zinn. Er wusste, dass seine Wachen ihn von ihren verschiedenen Aussichtspunkten beobachteten, aber sie würden seine Privatsphäre nicht stören. Und das würde Will auch nicht, ganz egal, wie dringend die geschäftlichen Angelegenheiten des Jardins auch sein mochten.
Niemand näherte sich dem Suzerän von Chicago, wenn er unten am Wasser spazieren ging.
So oft war Jaus schon hergekommen, um nachzudenken, sich Sorgen zu machen oder zu brüten. Das hatte er sich angewöhnt, als er bemerkt hatte, dass seine junge Nachbarin Jema Shaw abends oft am See entlangging. Jema, seine erste Liebe, seine einzige Liebe. Er schloss die Augen und dachte an sie.
Eine Liebe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war.
Jaus kletterte über die niedrige Ufermauer und ging auf die Felsen zu. Trotz all seiner Vorsicht und seiner Sehnsüchte und seiner endlosen inneren Debatten kam er sich in diesen Momenten am lächerlichsten vor. Er war in dieses Land gekommen, um Macht zu gewinnen. Ein Mann in seiner Position hatte unendlich viel Verantwortung und keine Zeit, so nutzlose Dinge zu verfolgen. Er wusste auch, dass nichts dabei herauskommen würde, wenn er zum Felsen lief und mit seiner Lady sprach. Er traute sich nicht, je mehr zu tun.
Dennoch ging er zu ihr, so hilflos wie ein Schiff im Sturm, das auf Untiefen zutrieb.
»Guten Abend, Miss Shaw « , sagte er, als sie bemerkte, dass er sich ihr näherte.
»Mr Jaus .« Sie lächelte. »Wie geht es Ihnen ?«
»Sehr gut, danke .«
Ihre Gespräche gingen selten über jene höflichen, unpersönlichen Begrüßungsfloskeln hinaus, die flüchtige Bekannte austauschten. Vor und nach solchen Treffen fielen Jaus oft zahlreiche intelligente Bemerkungen ein, die er hätte anbringen können, aber wann immer er mit Jema sprach, kam keine davon über seine Lippen.
Vielleicht wäre es ihm leichter gefallen, wenn sie ihm gestattet hätte, sie beim Vornamen zu nennen, aber das hatte sie nie getan, und die steifen Regeln, nach denen er erzogen worden war, hielten ihn davon ab, ihn ohne ihre Erlaubnis zu benutzen. Also waren sie noch immer Mr Jaus und Miss Shaw. Valentin wollte seinen Kopf gegen die Felsen schlagen. Nein, das war nicht ganz richtig. Er wollte sie auf seine Arme nehmen und sie in sein Haus tragen …
Jaus fluchte leise, während er die Erinnerungen an jenen Abend aus seinen Gedanken verdrängte.
Erdurftesienichthaben;erhattedasgewusst.AbgesehenvonderTatsache,dassJemaeinMenschwar,hatteihreineKrankheit,vonderalleglaubten,eswäreJugenddiabetes,immermehrJahreihresLebensgestohlen.Valentinwarsichbewusst,dassihreKrankheitbedeutete,dasssieniemalszusammenseinkonnten,underhattetrotzdemseinHerzansieverloren.AlsohatteersieausderFernebeobachtet,schweigendgelittenoderwarzumUfergegangenwieeinSchuljunge,inderHoffnung,gelegentlichhöflicheFloskelnmitihraustauschenzukönnen.
Komisch, dass er geglaubt hatte, Worte wären das Einzige, was sie jemals austauschen würden.
Jema war jedoch nicht an Diabetes erkrankt, sondern an Valentins eigenem Blut. Ein kleiner Unfall in seinem Garten, als sie noch ein kleines Kind war, hatte sie damit in Berührung gebracht, als er eine Glasscherbe aus ihrer winzigen Hand gezogen und sich dabei irgendwie selbst geschnitten hatte. Obwohl sie es niemals sicher wissen würden, hatte Jema vermutlich ein paar Tropfen seines Blutes getrunken, als sie an seinem Daumen saugte. Es hätte sie vergiften müssen, da das Blut der Darkyn während der letzten fünfhundert Jahre für Menschen stets tödlich gewesen war. Doch das hatte es nicht. Was zum Teil am Hausarzt der Familie Shaw gelegen haben musste, einem Verrückten, der von Jema besessen gewesen war. Er hatte starke Medikamente benutzt, um sie am Leben zu erhalten,
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