Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
genießen?«
Orsini kommentierte das nicht. Gestern Abend hatte er das Gesicht des Kardinals beobachtet, während er Keller mit Gelina zusah. Stoss würde das niemals zugeben, aber er war genauso sadistisch wie die einzige weibliche Vernehmerin der Bruderschaft. Er hatte die merkwürdige Wendung der Dinge zutiefst genossen.
Dass John Keller Gelina selbst unter Drogeneinfluss nicht die Macht ausüben ließ, die sie gewohnt war, beunruhigte Orsini ebenfalls. Kellers Schwierigkeiten mit dem Zölibat waren sehr gut dokumentiert. Das unterdrückte Verlangen des amerikanischen Priesters machte ihn zu einer tickenden Zeitbombe, aber jetzt machte Orsini sich Sorgen, dass ihnen der Auslöser dafür aus der Hand gerissen worden war.
»Sie sind so schweigsam, Ettore.«
Er blickte den Kardinal an. »Wir sollten Keller töten, sobald wir seine Schwester gefangen genommen haben. Machen Sie nicht den Fehler, ihn Gelina als Spielzeug zu überlassen.«
»Tut er Ihnen leid?«, fragte Stoss erstaunt.
»Nein.« Orsini blickte auf den Brief, den er dem Kardinal zuvor gegeben hatte. »Eher Gelina.«
Der Kardinal öffnete den Brief auf seinem Tisch und sah die Fotos noch einmal durch.
»Ich weiß immer noch nicht, wie ihm das gelungen ist, wo sie doc h … vielleicht habt Ihr recht.« Er sortierte eine kleine Anzahl aus und gab sie Orsini. Die ausgewählten Fotos zeigten deutlich, wie Vater Keller seine Krankenschwester vergewaltigte. »Schick diese per Kurierdienst an Hightower.«
Alex hatte keinen Zweifel, dass Thierry Durand unter einer schweren Psychose litt. Von dem Augenblick an, als sie in seine Zelle hinuntersah, waren seine Gedanken und Gefühle in ihren Kopf geflossen. Nur wenige davon konnte man auch nur ansatzweise als normal bezeichnen.
Angel, Angel, Angel. Verlass mich nicht.
Dem ausgesetzt zu sein gab ihr einen vertraulichen Einblick in Thierrys Gefühlswelt. Dort drehte sich alles endlos im Kreis: Schmerz, Angst, Panik, Trauer, Hass, Wut, Mordlust, bittere Hoffnung und dann wieder Schmerz. Unzusammenhängende Gedanken und Ideen durchbrachen den Kreis und ließen eine bestimmte Absicht erkennen. Alles, was man ihm angetan hatte, wollte er anderen antun. Er wollte derjenige sein, der zusammenschlug, zerfleischte, brach und verstümmelte.
Das einzige zärtliche Gefühl, das noch in ihm war, wirbelte um Gedanken an Angel, und selbst diese verzweifelte Liebe war von Angst überschattet.
Alex beschloss, Cyprien nichts davon zu erzählen. Ihre Fähigkeit, die Gedanken von Pädophilen und einem vollkommen Wahnsinnigen zu lesen, würde vielleicht als Darkyn-Talent durchgehen, aber sie würde ihm nicht noch einen Grund liefern, sie zu irgendetwas zu benutzen.
Aber wäre es nicht toll, wenn du ein Mörderdetektor auf zwei Beinen wärst . Alex hatte diesen Science-Fiction-Film mit Tom Cruise gesehen, wo er Leute verhaftete, bevor sie töteten. Nein, sie musste dieses kleine Talent wirklich niemandem auf die Nase binden.
Es dauerte fünfzig Minuten, um die Voruntersuchungen abzuschließen. Danach gab Alex Thierry noch eine Injektion und ließ Heather bei ihm, um ihn zu überwachen.
»Wenn er anfängt aufzuwachen«, wies sie die Krankenschwester an, »dann sollen die Männer ihn in die Zelle zurückbringen.«
Cyprien war nicht wieder aufgetaucht, deshalb nahm sie die Aufnahmen und ging nach oben. Sie fand ihn in dem kunstvollen grün-rosa Salon, wo er mit nachdenklichem Gesicht in einem Sessel saß.
Er blickte auf, als sie hereinkam. »Wie geht es ihm?«
»Echt beschissen.« Und man hatte ihn heilen lassen ohne irgendwelche Anzeichen für eine Behandlung. »Etwas würde mich wirklich interessieren. Warum habt ihr Vampire keine Ärzte?«
»Keiner der Darkyn war ursprünglich Arzt. Als wir uns aus unseren Gräbern erhoben, behandelten Bader die Kranken und Verletzten, die glaubten, dass sich Krankheiten durch Aderlass und das Trinken von Kuhurin heilen lassen.«
Gott sei Dank war sie im zwanzigsten Jahrhundert geboren. »Und in diesen, was, siebenhundert Jahren hat nicht einer darüber nachgedacht, Medizin zu studieren?«
Die Frage schien ihn zu verblüffen. »Abgesehen von den Problemen, die sich ergeben, wenn ein Vrykolakas sich unter Menschen bewegt, vergisst du, dass wir verflucht sind, Alexandra. Es gibt keine Seminare darüber, wie man Gott gnädig stimmt und die eigene Seele zurückgewinnt.«
»Ach, Blödsinn. Komm her und sieh dir das an.« Sie ging zu den Türen, die in den Garten hinausführten, und hielt
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