Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
abgestiegen. Sie ist gerade zurückgekehrt. Sie will, dass wir gleich zu ihr kommen. «
» Ich hab’s gewusst. Es konnte nicht länger gut gehen « , sagte Pegeen. » Die letzten sieben, acht Jahre waren so friedlich. «
» Na komm. Setz deinen Hut auf. Gehen wir. Das Kind will sie auch sehen. «
» Willst du etwa in diesem alten Bademantel im St. Regis aufkreuzen? « , fragte Pegeen.
» Ach du Schreck. Das habe ich ganz vergessen. Na gut, kümmere du dich um das Kind, und wenn ihr fertig seid, bin ich auch angezogen. «
» Aber bitte, denk dran « , sagte Pegeen und sah mich ungewöhnlich ernst dabei an. » Sie mag ja eine echte Persönlichkeit sein, ein Unterhaltungskünstler, ein Charmeur und was sonst noch, aber mein Kind bekommt sie nicht in die Finger. Sie darf ihn sehen und Guck-Guck sagen und, ach, bist du aber gewachsen, und wie sehr er nach dir kommt, alles, was Tanten sonst noch so von sich geben, aber auf keinen Fall darf sie… «
» Ach Pegeen, das will sie doch überhaupt nicht. Sie hat jetzt schon genug andere Dinge um die Ohren, da will sie sich nicht auch noch ein Kind aufhalsen. «
Als wir vor der Tür zu Tante Mames Hotelsuite standen, wiederholte Pegeen noch einmal: » Denk daran, was ich dir gesagt habe. « Ich drückte die Klingel, und die Tür wurde geöffnet. Ito erschien mit einem Wickelturban auf dem Kopf und verbeugte sich zum Gruß.
» Ito! « , sagte ich und ergriff seine Hand. Das Haar, das unter dem Turban hervorlugte, war ergraut, aber Ito kicherte hocherfreut, und ich sah, dass sich nur die Kostümierung verändert hatte.
» Kommen Sie herein. Madame machen viel Wirbel. Madame sehr neugierig auf kleinen Jungen. «
Unserem kleinen Sohn gingen fast die Augen über. Er zerrte an meiner Hand. » Ist der so einer wie Punjab in Little Orphan Annie? «
» Nein, Mike « , sagte ich. » Der arbeitet nur für deine Tante. «
Dafür, dass sie nur kurze Zeit in der Stadt weilte, hatte Tante Mame eine beträchtliche Anzahl Zimmer gemietet, und es drängte sich so eine Art UN-Delegation in den Räumen: sehr viele Inder im Straßenanzug und mit Turban und indische Frauen in wehenden Saris. So etwas hatte Mike noch nie zuvor in seinem Leben gesehen.
Als Erstes lief mir Vera über den Weg, das Haar aufdringlich strohblond gefärbt. An ihrem sechzigsten Geburtstag hatte sie beschlossen, dass ihre Zeit als » Naive « nun vorüber war, jetzt spielte sie » würdige Damen « im Alter von fünfunddreißig Jahren, und noch immer rannten die Zuschauer in ihre Vorstellungen. Der Tod hatte in der Familie Fitz-Hugh seinen Tribut gefordert, und aus dem Ehrenwerten Basil war ein richtiger Graf mit Schärpe geworden, und Vera ließ deutlich die Lady heraushängen. Da sie ja nun waschechte Britin war, hatte sie ihre Einsprengsel in die Sprache zu einer neuen Kunstform erhoben. » Pittrick, Dalling « , sagte sie und streckte die Hand aus, » wie schöhön, dich nach alle den Jaharen hier wiederzusehen. Aber was bist du alt geworden, mein lieber Juhunge. «
» Hi, Vera « , sagte ich. » Hast du Tante Mame irgendwo gesehen? «
» Aber jaha, Dalling. Und was siehiet sie hinreißend aus. Wie guhut sie ihre Jahare verbirgt. «
» Aber wo… «
Auf mich zu trat ein Phantasiebild, das nur Tante Mame sein konnte. Sie trug einen kunstvoll gearbeiteten Sari, höchst extravagant drapiert, um ihre noch immer schlanke Figur im günstigsten Licht erscheinen zu lassen. Das Haar, eigentlich vollkommen ergraut, war zartblau gefärbt. Um die Augen hatte sie viel Tusche aufgetragen, und auf der Stirn prangte ein Kastenzeichen.
» Hallo, Fatima « , sagte ich.
» Patrick! Darling. Darling, mein Junge! « Sie warf sich an meine Brust und bedeckte mein Gesicht mit Küssen. » Und Pegeen! « Sie und Pegeen, deren Beziehung nur kurz und kaum mehr als höflich distanziert gewesen war, tauschten einen keuschen Kuss aus. » Und? Wo ist das Baby? Ich habe den Kleinen ja ewig nicht mehr gesehen. «
» Hier « , sagte ich und legte eine Hand auf Mikes roten Haarschopf.
» Darling! « , rief sie theatralisch. » Ich bin deine Tante Mame! « Sie schlang die Arme um ihn und küsste ihn.
» Deine Großtante Mame « , korrigierte Pegeen.
» Er heißt Michael, nach dem Erzengel Michael! « , trällerte Tante Mame.
» Nein « , sagte Pegeen trocken, » nach meinem Vater Mickey the Mick. «
» Ach Patrick, was für ein göttlicher Knabe. Er sieht genauso aus wie du als kleiner Junge, nur die schönen, wunderschönen Haare,
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