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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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billigere ein, doch Tante Mame überredete einen Freund, eine große Wohnung zu kaufen, nur um dann feststellen zu müssen, dass das Haus leer stand und der unschuldige Kerl für die gesamten Betriebskosten aufkommen musste. Sie überließ ihm ihre Provision, damit er den Bankrott überlebte. Probleme mit ihrer eigenen Hypothek veranlassten sie dann, der Immobilienbranche ganz den Rücken zu kehren.
    Zu dem Zeitpunkt, als für mich die Schule wieder losging, wurde Tante Mame von ihren Gläubigern regelrecht bedrängt. Sie musste sogar die Schmach erdulden, sich von meinem Treuhänder die Kosten für meinen Unterhalt erstatten zu lassen.
    Ihre Briefe lasen sich wie Abschiedsbriefe. Anfang Oktober dann erhielt ich einen Brief, der von ihrem alten Kampfgeist zeugte:
    Darling, Junge,
    stell dir vor! Tante Mame geht zurück auf die Bühne! Vera hat angerufen, und wir haben uns zum Lunch getroffen. Ich habe ihr von meinem schrecklichen Pech erzählt, und wir erinnerten uns an die alten Zeiten, als wir beide als Revuetänzerinnen in Chu Chin Chow aufgetreten sind. Was haben wir damals bei der Zimmerverwechslung in dem Hotel in Indianapolis über den Hoteldetektiv gelacht!
    Um es kurz zu machen: Vera tritt in einem neuen Stück auf, und sie hat mich für eine Nebenrolle vorsprechen lassen. Ich soll Lady Iris spielen, eine englische Aristokratin. So wären wir also wieder zusammen, wir Mädels, wie damals, wieder auf Tournee nach all den Jahren!
    Und jetzt halt dich fest, mein Schatz. Wir treten zuerst in Boston auf, du kannst also das Comeback deiner Tante Mame bei der Premiere miterleben. Kann es kaum erwarten. Jetzt aber schnell zur Probe!
    Vera Charles war Tante Mames beste Freundin, jedenfalls meistens. Sie war keine große Schauspielerin, nicht mal eine gute, aber sie war ein großer Star. Vera war das, was man eine Frauendarstellerin nennt. Matineebesucher himmelten sie an.
    Mr. Woollcott schrieb einmal über sie: » Vera Charles ist die einzige Schauspielerin auf der ganzen Welt, die ihre Kostüme häufiger wechselt als den Gesichtsausdruck. « Danach sprachen die beiden nicht mehr miteinander, aber er hatte Recht. Immer spielte sie eine » wunderschöne Adelige « aus einem » nicht näher bezeichneten Königreich auf dem Balkan « , immer gab es einen » Gatten, der sie nicht verstand « und » einen anderen Mann «. Es war schlechtes Drama, aber großes Theater, und Busladungen schmachtender Hausfrauen kehrten, vollkommen aufgelöst, zurück nach Montclair, die Wangen noch feucht von Tränen der Liebe und des Neids.
    Am Tag von Tante Mames Premiere entließ mich der Rektor aus dem Hockeytraining, und ich eilte nach Boston, wo Tante Mame im Ritz Quartier bezogen hatte. Sie lag gerade in der Badewanne, als der Page mich in ihre Suite einließ, und ich hörte sie singen: » Ich bin Chu Chin Chow aus China, Shanghai, China. «
    Rosig und warm tauchte sie aus dem Bad auf. » Darling! Ich bin ja so froh, dass du gekommen bist! Pass auf, bring meine Frisur nicht durcheinander. Lauf schnell und hol Tante Mame eine Tüte Hustenbonbons. Ich lege mich solange in ein abgedunkeltes Zimmer, mit einem strengen Adstringens im Gesicht– für die Spannkraft–, entspanne meine Stimme und gehe noch mal meinen Text durch. Und kurz bevor ich ins Theater aufbreche, gibt’s ein paar Löffel klare Brühe und etwas Toast Melba. Ha, diese Aufregung, wieder auf der Bühne zu stehen! Vera hat mir im letzten Akt eine hübsche kleine Szene mit ihr eingeräumt. Ach so, und ich darf mein Schmuckkästchen nicht vergessen. Bei der Kostümprobe habe ich in meinem Ballkleid schrecklich dürftig ausgesehen. «
    Um sechs Uhr dinierten wir zu Abend, dann rief Tante Mame ihre Freundin Vera an, um ihr alles Gute zu wünschen. Um sieben Uhr kamen wir im Colonial Theater an, und ich hockte mich allein in die erste Reihe und wartete, bis sich das Haus mit erwartungsvollen Bostoner Matronen, ihren unwilligen Männern und respektlosen Harvard-Studenten füllte.
    Endlich hob sich der Vorhang. Vera zog ihre altbekannte Show ab. Zwölf Minuten nach Beginn des ersten Akts trat sie in einem herrlichen beigen Kostüm mit Marderfellbesatz mitten auf die Bühne und hielt gnädig inne, um die Ovationen entgegenzunehmen. Der erste Akt lief nach altbekanntem Rezept, doch Tante Mame erschien kein einziges Mal.
    Zweiter Akt, Vera wieder mal großartig, in zartgrünem Samt, und als sie sich ein luftiges Negligee aus blauer Spitze anzog, stöhnten die Damen unter den

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