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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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ein– nicht, weil wir den Klub mochten, und auch nicht, weil der Klub uns mochte, sondern weil unsere Familien, unsere Kleidung, unsere Verbindungen, unser Geld und unser schulisches Ansehen uns zu erwünschten Mitgliedern machten. Der Klub rollte uns daraufhin den roten Teppich aus und verfügte über einen direkten Draht zu den hübschesten Mädchen. Daher ergab sich eine gegenseitige Anziehung. So viel zur Reinheit jugendlicher Freundschaften.
    Als mein erstes Studienjahr sich dem Ende zuneigte, hatte bei Tante Mame eine subtile Veränderung stattgefunden. An einem Wochenende war ich nach Boston gefahren, um dort eine Freundin zu besuchen, die ich kennen gelernt hatte, und als ich, zurück am College, mein Zimmer betrat, wartete dort Tante Mame und ging wütend auf und ab. » Wie kannst du es wagen! « , sagte sie.
    » Was? «
    » Wie kannst du es wagen, nach Boston abzuhauen, ohne mir ein Wort davon zu sagen? Ich sitze Däumchen drehend zu Hause und warte auf dich und deine Freunde, und du besitzt nicht einmal den Anstand, mir wenigstens eine Postkarte zu schicken und zu sagen, dass du nicht kommst! «
    » Aber ich gebe dir doch sonst auch nie vorher Bescheid, wenn ich nicht komme, nur, wenn ich komme. «
    » Seit Monaten bist du mit deinen Freunden bei mir zu Gast. Ich musste also davon ausgehen, dass du kommst. Stattdessen sitze ich da, einsam und alleine, sorge mich halb zu Tode, habe eine ganze Meute interessanter Leute eingeladen, und dann kommst du nicht. «
    » Aber, Tante Mame… «
    » Unterbrich mich nicht. Ich hatte nicht vor, ein Hotel für einen so jungen, undankbaren Menschen wie dich zu führen. Und ich hatte auch nicht vor, mein Privatleben aufzugeben, nur weil mein gedankenloser Herr Neffe meine Existenz als selbstverständlich hinnimmt, dem es aber sonst egal ist, ob ich tot oder lebendig bin. So. Für nächstes Wochenende habe ich eine wunderschöne Party geplant, und ich möchte, dass du mit all deinen Freunden kommst. Ohne Wenn und Aber, verstanden? Und glaube ja nicht, ich würde das hier gleich wieder vergessen! « Sie schritt aus meinem Zimmer und knallte hinter sich die Tür zu.
    Es war ein seltsamer Auftritt für eine Frau, die ein so zwangloses Leben führte wie Tante Mame, doch nach und nach kam ich hinter die Geschichte. Sie betrachtete meine Freunde als ihre Freunde. Sie fand Gefallen an ihnen, sie wiederum schmeichelten ihr, amüsierten sie, gaben ihr das nötige Selbstvertrauen für den Glauben an ihre ewige Jugend. Mit der Zeit war sie abhängig von diesem Publikum geworden, vor dem sie mit ihrem sprühenden Geist, ihrem Charme, ihrem Reichtum und ihrem Aussehen glänzen konnte. Sie brauchten Tante Mame als Wirtin für Kost und Logis, Partys und Alkohol. Tante Mame jedoch brauchte sie noch für etwas darüber hinaus. Tante Mame brauchte sie, um sich zu vergewissern, dass sie noch immer jung, noch immer schön, noch immer begehrenswert war.
    Danach verbrachten wir jedes Wochenende bei Tante Mame. Wenn wir nicht nach New York fuhren, kam sie zu uns. Sie kannte all die jungen klugen Intellektuellen unter den Lehrern, und sie war sehr gefragt. Wenn ich mal keine Lust hatte, nach Hause zu fahren, lud sie die anderen zu sich ein, ohne mich, und Biff oder Bill, Jack oder Alex verbrachten ausgelassene Wochenenden am Washington Square, lernten Tante Mames berühmte Freunde kennen, gaben sich lässig-elegant auf ihren Partys oder begleiteten sie zum Stork Club. Und Tante Mame, im Nerzmantel, mit Rolls-Royce, extravagant gekleidet, war ein ebenso vertrauter und prächtiger Anblick wie das neue Stadion.
    In meinem zweiten Studienjahr dann übte Tante Mame sich in erstaunlicher Zurückhaltung. Wenn sie über das Wochenende anreiste, machte sie jedem unmissverständlich klar, dass sie diesen Assistenten und seine Frau oder jenen Professor und Mrs. Soundso besuchte, und obwohl meine Freunde und ich sie häufig sahen, war es immer nur zum Lunch am Sonntag oder auf ein Glas.
    In unserem dritten Studienjahr war sie immer noch eine Erscheinung auf dem Campus. Zwar verbrachte sie weniger Wochenenden mit diesem oder jenem Lehrer und seiner Frau, dafür lud sie meine Freunde immer häufiger zu sich nach New York ein.
    Damals hatte ich gerade eine stürmische Affäre mit einer Kellnerin, die Bubbles hieß und mich in einem Imbiss in Newark hinter der Auslage mit Ananaskuchen verführt hatte, weswegen ich meine freie Zeit hauptsächlich mit Warten auf Bubbles im Robert Treat Hotel verbrachte.

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