Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
verrückte, verschwenderische Tante. Aber jetzt ist es zu spät. Meine Mühe war umsonst. Ich gebe auf. Sie und diese Tante von Ihnen– da haben sich zwei gefunden! Sie werden noch mal als Schuldner im Gefängnis landen, und ich könnte nicht mal behaupten, dass mir das leidtäte. Der Kassenverwalter wird Ihnen das Geld geben. Gehen Sie jetzt. Möge Gott sich Ihrer annehmen– sonst tut es ja keiner. «
Jetzt war ich also achtzehn, ich verfügte über mein eigenes Geld, ich hatte meine Freiheit und meine Jugend. Ich kaufte einen kleinen Sechszylinder-Packard-Cabrio, die damals nicht einmal tausend Dollar kosteten, ein neues Grammophon, viele Schallplatten, sehr viele Kleider, und alle drei Monate schickte die Trust Company einen Scheck über zweitausend Dollar, die ich, entgegen Mr. Babcocks finsteren Prophezeiungen, niemals in Gänze auszugeben vermochte. Im Herbst fing das College an.
Der typische St.-Boniface-Absolvent, der aufs College wechselte, hatte eine Leidenschaft für den Mannschaftssport, eine Vorliebe für Mädchen vom Bryn Mawr College und zeigte eine geradezu hündische Ergebenheit an die überlieferten schulischen Traditionen. Das war das Erkennungszeichen von St. B., und da ich die St. Boniface Academy eindeutig gegen meinen Willen besucht hatte, beschloss ich, mich so untypisch wie möglich zu geben. Andererseits sah ich mir die Studienanfänger an, die mit einem Lebensziel vor Augen herkamen– die Jungen, die unzusammenhängende Blankverschen an die prätentiösen literarischen Zeitschriften schickten; die Jungen, die eine Art neues Christentum verbreiteten; die Jungen, die mit erregter Stimme von dem Theaterklub verlangten, unbedingt Sophokles aufzuführen–, und sie erschienen mir damals genauso unreif und aufgeblasen und affektiert wie heute. Ich passte also in keine Kategorie, ich fühlte mich an nichts und niemanden gebunden.
Dennoch fand ich schon bald, gemeinsam mit vier anderen jungen Männern, die so waren wie ich, meinen Platz auf dem Campus. Wir hatten nicht den Geist, der an der Schule herrschte, verinnerlicht, wir hatten keine College-Wimpel an der Wand, keine Pokale, keine Reproduktionen von Cézanne oder Rouault. Wir hatten lediglich Möbel, Ginflaschen, Bierdosen, Schallplatten und unseren New Yorker. Das Footballteam konnte gewinnen, verlieren oder tot umfallen– uns war es egal. Übrigens verlor es in den vier Jahren drei Mal. Der Debattierklub mochte zum Thema Russland beschließen, was er wollte: ob Freund oder Feind– uns war das schnuppe. Die Theater-AG konnte Elektra aufführen, in modernen Kostümen, oder Die Frauen, von mir aus nackt– uns ließ das kalt. Die politisch Engagierten mochten alle möglichen Versammlungen einberufen, zu Studentenstreiks aufrufen, so viel sie wollten– uns betraf das nicht. Und die Frommen, sie konnten alle Seelen erretten, nur die unseren nicht. Wir kümmerten uns um ausreichende Zensuren, weil es sich empfahl– ansonsten lagen unsere Interessen außerhalb des Campus.
Unser Gott hieß Fred Astaire. Er war so, wie wir sein wollten: geschliffen, weltmännisch, lässig, mondän, intelligent, erwachsen, geistreich und klug. Wieder und wieder sahen wir uns seine Filme an, spielten seine Platten, bis sie abgenudelt und verkratzt waren, kleideten uns wie er, wenn wir uns trauten. Stellten sich irgendwelche Krisen in unserem jungen Leben ein, fragten wir uns, wie hätte Fred Astaire sich verhalten, und entsprechend verhielten wir uns. Wir hielten uns für tolle Kerle, dabei waren wir eigentlich nur jung.
Jedes Wochenende fuhr ich nach New York mit einer Ladung Fred-Astaire-Juniorausgaben, die sich bei meiner Tante in den Gästezimmern des großen Hauses am Washington Square einnisteten und sich ihrer Gastgeberin gegenüber in Mondänität übten. Tante Mame war entzückt. Sie hatte gerne Gesellschaft, und je jünger und ausgelassener, desto lieber. Sie brachte uns bei, wie man Drinks mixte, so wie Fred Astaire sie ihrer Meinung nach mixen würde, sie besorgte uns scharenweise Girls und erschlich Einladungen zu den angesagtesten Partys. Sie ergötzte uns mit witzigem Tratsch und belieferte uns mit einem nicht enden wollenden Strom ihrer berühmten Freunde, die für uns aufspielen durften. Die Jungen verehrten sie, und aufgrund dieser verschwenderischen Wochenenden bei Tante Mame gerieten wir an der Schule rasch in den Ruf, geheimnisumwittert, reif, welterfahren und ziemlich leichtlebig zu sein.
Später traten wir alle in denselben Klub
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