Darling Jim
hat? Natürlich. Sie haben es so gut verstanden, dass sie uns seitdem geschlossen schneiden, als hätten wir die Lepra. Sogar du, Sergeant.«
»Wenn ich die großen Jungs aus Cork City oder Macroom HQ hierher bringen muss, dann ist der Deal abgeblasen.«
Sie sah uns im Licht des Feuers forschend in die Augen. Würde eine von uns aufgeben? Wir starrten zurück und schwiegen.
»Warum wendest du nicht dein Pferd, Sheriff? Fang endlich diese Banditen, die unsere Kutsche angezündet haben«, sagte Fiona und musste gegen ihren Willen lächeln. »Sie sind sicher noch nicht weit gekommen. Du weißt ja, wir sind im Indianerland. In Fort Apache, wo sogar die Squaws verzweifelt sind.« Ich musste mir die Hand vor den Mund halten, um nicht hysterisch loszulachen. Mein Magen verknotete sich bei dem Versuch, das Gelächter zu unterdrücken. Und ich spürte Tränen in meinen Augen. Ich habe einen Menschen ermordet, flüsterte mein Gehirn meinem Bauch zum ersten Mal zu. Zeig mir ein paar Tränen, wenn du begriffen hast, was das bedeutet.
»Ich habe dir immer geglaubt«, sagte Bronagh zu Aoife, und in ihrem Gesicht stand jetzt Scham.
»Klar doch«, sagte meine Zwillingsschwester mit einer Stimme, die so hohl klang wie der Wind in einem Kamin.
Bronagh schaute auf die dunkle Straße, auf der sich der neonblau blinkende Feuerwehrwagen näherte. Jeder Kampfgeist war aus ihr gewichen. Sie winkte ihre Männer zum Streifenwagen zurück und rückte ihre Mütze so zurecht, dass wir ihre Augen nicht mehr sehen konnten.
»Sag mir nur eines«, fragte sie Aoife, aber so laut, dass wir alle es hörten. »Bist du bereit? Für alles? Ermittlungen, vielleicht sogar Verhöre und Gerichtsterm ... «
»Danke, dass du gekommen bist, Bronagh«, sagte Aoife und klappte die leere Schrotflinte knallend zu.
Bronagh erkannte die Waffe, die sie schon als Kind bei uns gesehen hatte, aber sie wagte einen letzten Vorstoß. »Hast du einen Waffenschein für das Ding?«
»Du hast ihn mir selbst ausgestellt«, sagte Aoife ohne jeden Sarkasmus. »Aber wenn du in den Ärschen dieser Vandalen Schrotkugeln findest, darfst du mich natürlich jederzeit verhaften.«
XX.
In meiner Gegend sind Begräbnisse für gewöhnlich feierliche Angelegenheiten, bei denen sich sogar die Leichen langweilen. Sie beginnen mit gefalteten Händen in der Sacred-Heart-Kirche, wo wir die Hinterbliebenen anstarren, die am nächsten beim Sarg sitzen, und dann wird mit gesenktem Blick der Choral In Paradisum gesungen. Nach der Trauerfeier finden sich alle bei Father Malloy zu saurem Weißwein und einem Gespräch darüber ein, dass »das Leben sich zwar verändert hat, aber dennoch weitergeht«. Und wenn der gute Father dann einen im Kahn hat, gehen ein paar Lebende noch zu McSorleys und tratschen bei einem Pint über den Verstorbenen.
Aber für Jim änderten sich die Regeln, noch bevor seine Leiche erkaltet war.
Wir anderen merkten, dass die letzte Reise des ermordeten Stadtmaskottchens ein wenig anders verlaufen würde, als die ersten Trauergäste mit tränenfeuchten Augen in die Stadt pilgerten. Darunter waren natürlich auch morbide Schaulustige und ein paar Journalisten, die von der Schneise von Sex und Gewalt gehört hatten, die der seanchai angeblich durch ganz West Cork gezogen hatte. Man munkelte, dass ihn drei Schwestern aus der Gegend getötet haben sollten. Brandheißer Stoff. Das Begräbnis würde im Fernsehen sicher großartig aussehen. Und die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, informiert zu werden, stimmt's? Wahrscheinlich war deshalb bald der ganze Marktplatz von Ü-Wagen mit Satellitenschüsseln übersät, bis man nicht einmal mehr das Kreuz in der Mitte erkennen konnte. Jonno machte ein Riesengeschäft damit, den Typen überteuertes Bier zu verkaufen und ihnen von dem »Schlächter von Castletownbere« zu erzählen, der Frauen allein durch den Klang seiner Stimme willenlos machte. Er schaffte es auf diese Art sogar in die Zeitung und hängte den gerahmten Artikel hinter der Bar auf. Wahrscheinlich hängt er immer noch dort.
Aber die meisten Pilger, die ihre abgetragenen Turnschuhe die Glengarriff Road entlangschleppten, waren junge Mädchen, die für einen Mann schwärmten, der ihrer Meinung nach »verkannt« worden war. Die alte Mrs. Crimmins bemerkte als Erste, dass das nicht nur vereinzelte Verrückte waren. Am Mittwoch vor dem Begräbnis goss sie gerade ihre Narzissen, als sie junge Frauen in Zehnergruppen an ihrem Bed & Breakfast vorbeiwandern sah. Die
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