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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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blühte, falls ein paar von Jims ergebenen Jüngern mich dort entdeckt hätten. Der Southern Star hatte bereits einige Artikel gebracht mit Schlagzeilen wie GARDA AUF DER SPUR DER MÖRDER. Und der lrish Mirror aus Dublin hatte uns DIE STILETTO-SCHWESTERN getauft. Natürlich gab es keinerlei Beweise, die uns eine Verurteilung oder auch nur eine Verhaftung eingebracht hätten, dafür hatte Aoife gesorgt. Und der Mann, der beim Tatort seine Hunde ausgeführt hatte, war offenbar blind und hatte nur den kleinen Vöglein gelauscht, wie er angab. Außerdem hatte es am Tag des Mordes später so stark geregnet, dass weder Fußabdrücke noch Reifenspuren ZU finden waren.
    Fiona hatte mir diese Kelly aus dem Cottage in den Bergen beschrieben, und ich glaube, ich sah sie, als ich zu meinem Fahrrad zurückschlich. In ihrem schwarzen, knöchellangen Seidenkleid war sie wunderschön, Tränen strömten ihr wie einer tragischen Heldin über die Wangen. Kelly drückte tröstend Tante Moiras Hand, bevor der Father mit seiner Predigt begann.
    Aber erst nach dem Gottesdienst begann der Wahnsinn, sein wahres Gesicht ZU zeigen.
    Jim sorgte nämlich an allen Abendbrottischen der Stadt für geteilte Meinungen, besonders seit Bronagh beschlossen hatte, ausnahmsweise mal ihren Job zu machen. Der Mann namens Tomo war sowohl in Cork als auch in Dublin im Gefängnis gewesen, und sein Vorstrafenregister war ziemlich beachtlich. Angeblich hatte er Jim in der Schule kennengelernt, einem Auffanglager für schwer erziehbare Jugendliche, aber diese Vermutung ließ sich nicht beweisen. Die Geschichten von ermordeten und vergewaltigten Frauen gefielen den Leuten ganz und gar nicht, auch nicht denen, die den Märchen gelauscht und sich an der schmeichelnden Stimme ergötzt hatten. Das bedeutete, er würde nicht auf dem Glebe-Friedhof begraben werden, sondern am besten außerhalb der Stadtgrenzen. Massenmord war nun einmal nicht gutzuheißen, egal, wie entzückend der Hauptverdächtige gewesen war. Man einigte sich auf einen Kompromiss.
    St. Finians war eine seltsame, verlassene Begräbnisstätte am Straßenrand, die von keiner Kirche geheiligt wurde. Der Friedhof war bereits uralt gewesen, als wir noch Kinder waren, und die letzten Jahre hatten seinen Verfall noch beschleunigt. Da Jim offenbar keine Verwandten hatte, beschloss der Gemeinderat, seinen vielen Fans zu erlauben, dort einen Grabstein aufzustellen und ihn darunter zur Ruhe zu betten. Das verdammte Ding wurde aus anonymen Spenden finanziert, raunten die Tratschweiber im Dorf. Spenden aus allen Ecken des Landes. Verflucht noch mal, dachte ich. Wie oft hat er denn diese blöde Geschichte über den falschen Wolf von sich gegeben? Mehrere hundert schluchzende Frauen begleiteten seinen Sarg die gewundene Straße hinauf und brachten damit den Verkehr zum Erliegen. Und die Stadtväter sollten ihre Entscheidung schon sehr bald bereuen.
    Fernsehkameras filmten die Prozession der Klageweiber, die wie besessen weinten und schrien, und folgten ihr bis hinter die schmiedeeisernen Tore des Friedhofs. Ich hatte mich lange vor dem Ende des Gottesdienstes aus der Kirche geschlichen, lag nun im hohen Gras bei Aoifes Cottage und richtete das Fernglas meines Vaters auf das Spektakel. Eine Staubwolke in der Luft erschwerte mir die Sicht, weil mehr als zwanzig Frauen sich darum drängten, als Erste Erde auf den Sarg zu werfen, während er noch abgesenkt wurde. Ihre Schreie hallten von den Berghängen wider, als wären sie Geier, die sich um Aas stritten. Oh, Jimmy-Boy, dachte ich und schüttelte den Kopf. Diesen armen Seelen war es ziemlich egal, ob du die Frauen nun geliebt oder getötet hast. Die Menge zerstreute sich erst, als die Dunkelheit über die Berge kroch und ein sanfter Nieselregen zu fallen begann.
    Aber sogar aus dieser Entfernung konnte ich immer noch ein paar Gesichter erkennen. Ich sah zwei Mädchen, die höchstens zwölf waren, die Erde um den Grabstein glatt streichen. Ich musste an Fionas Pharaonen denken und fragte mich, ob ihre Bestattungen auch so irrsinnig gewesen waren. Eine Frau stellte vorsichtig eine Kerze auf das Grab und versuchte, sie anzuzünden. Der heftige Wind hob ihr das Kleid bis über die Hüften, aber es war ihr egal. Sie zündete ein Streichholz nach dem anderen an, bis die Schachtel leer war.
    Als sie ging, blieb eine einsame Frau auf dem Grab zurück. Sie wandte mir den Rücken zu und kniete wieder vor ihrem Gott, der ihr mehr als einmal alles genommen hatte. Dann hob sie den

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