Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
Vom Netzwerk:
Schultasche und lief, so langsam ich konnte, nach Hause.« Bronagh legte die Hand an die Lippen, als wolle sie die Worte herausziehen. »Sie waren zu groß, ich musste sie mit Zeitungspapier ausstopfen. Aber sie waren wunderschön. Ich ging zu Rosie, und wir stolzierten abwechselnd in den Dingern vor dem Spiegel herum. Dann klingelte es. Draußen stand die Verkäuferin mit der Polizei.« Ihre Stimme klang erstickt, und das nicht nur wegen der Erinnerung, sondern weil Rosie nicht mehr da war und sie nicht hätte sterben müssen. »Rosie wartete nicht einmal, bis ich mit einer dämlichen Ausrede herausplatzte. Sie schaute den Bullen ins Gesicht und sagte, sie habe die Schuhe selbst geklaut. Ihr Vater verabreichte ihr eine solche Tracht Prügel, dass sie eine Woche nicht laufen konnte. Und sie hat nie etwas im Gegenzug dafür verlangt. Nicht einmal.«
    Der Asphalt wand sich in von Bäumen umstandenen Serpentinen dahin. Niall erkannte die Straße, auf der er vor ein paar Tagen wie ein halb toter Pilger in die Stadt geschlurft war.
    »Aber für Aoife konntest du etwas tun?«
    »Betrachte es einmal so«, sagte Bronagh und versuchte, ihre Trauer abzuschütteln. »Nur sie war noch übrig. Was hättest du getan? «
    »Wo ist sie, Bronagh?«
    Statt einer Antwort schürzte Bronagh die Lippen und fuhr an den Straßenrand. Sie öffnete die Beifahrertür und holte etwas vom Rücksitz, das sie Niall in den Schoß warf.
    Es war eine Plastiktüte mit den alten Kleidern und dem Zeichenpapier, das er in der Pension zurückgelassen hatte.
    »Mrs. Crimmins sagte, sie wolle dich nie wieder in ihrem Haus sehen«, sagte Bronagh und bedeutete ihm auszusteigen. »Und nach dem, was du in Sacred Heart angestellt hast, sind die meisten anderen Stadtbewohner der gleichen Meinung.«
    »Ich habe gar nichts angestellt. Und das weißt du auch.« Bronagh schenkte ihm ein bitteres Lächeln, und ihre Stimme klang leblos, als sie ihm den Deal offenbarte, der sie beide retten würde. »Genauso gut, wie du weißt, dass ich keine Ahnung habe, wo Aoife ist oder was mit ihr passiert sein könnte. Ich bin nur eine dämliche Polizistin. Habe ich recht?«
    »Okay.«
    »Du bist schon in Ordnung, Niall«, sagte sie mit einem unfreiwilligen Seufzer. »Du hast nur am falschen Ort herumgeschnüffelt.«
    Niall öffnete die Tür und stieg aus. Die Bäume rauschten im Wind, aber er hätte nicht sagen können, ob sie versuchten, ihm etwas zu sagen, oder nur miteinander tuschelten. »Wenn du das nächste Mal mit ihr sprichst«, sagte Niall, »dann richte ihr aus, ich hoffe, sie findet, was sie sucht.«
    Aber Bronagh hatte das Auto bereits gewendet und war auf dem Weg zurück in die Stadt. Denn einige Antworten kosten einfach zu viel.
    Niall lief schon seit Stunden, und die Schatten wurden allmählich länger. Hinter ihm stieg Nebel aus den Wiesen auf, als sei er neugierig, wohin dieser Wanderer unterwegs sei.
    Dann hörte er ein Geräusch, das er zuerst für ein erneutes Hirngespinst hielt. Ein Motor, der immer wieder aufheulte, wenn in den Kurven der Gang gewechselt wurde.
    Ein Motorrad.
    Klar, dachte Niall und lachte hysterisch auf. Perfekt, einfach perfekt. Das ist sicher Jims alte Vincent Comet, die mich bis ins verdammte Ballymun verfolgen wird. Das Dröhnen hallte von den Klippen wider, wurde schwächer, dann wieder stärker. Niall drehte sich um und sah ein einsames Licht auf sich zukommen. Der verfluchte Biker, dachte er, der sich jede Nacht aus seinem Grab auf dem Hügel erhebt und die heimsucht, die sich weigern, an ihn zu glauben. Er griff nach der Klinge in seiner Tasche und verbarg sie in seiner Hand.
    Als das Motorrad näher kam, sah Niall, dass es nicht rot, sondern schwarz war.
    Der Fahrer verlangsamte die Maschine und hielt direkt vor ihm an. Mit einem fröhlichen Schnalzen klappte er das Visier seines Helms hoch. Und Niall erkannte das Gesicht dahinter.
    »Na, hast du gefunden, was du gesucht hast?«, fragte die junge Frau, die ihn nun schon zum zweiten Mal in Todesangst versetzt hatte. Ihr Grinsen zeigte, dass sie den fassungslosen Ausdruck auf seinem Gesicht genoss.
    »Nicht alles«, antwortete Niall endlich und steckte die Waffe unauffällig wieder ein.
    »Steig auf«, sagte sie. »Ich fahre nach Osten. Das ist dein Glückstag.«
    »Danke, nein. Ich würde den morgigen Tag gern erleben. Aber trotzdem danke.«
    Die Bikerin nickte und klappte das Visier wieder nach unten.
    Niall war überzeugt davon, dass sie immer noch grinste, denn das Plastik schien

Weitere Kostenlose Bücher