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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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in der schmutzigen Wäsche von Fremden wühlen sieht.
    Da unten war natürlich nichts. Wie hatte er nur so dumm sein können? Die ganze Gegend war zu einer Pilgerstätte für einsame Herzen von Frankfurt bis Osaka geworden und war seit Jahren bis in den letzten Winkel durchsucht worden. Niall war mit Schlamm bedeckt und überlegte sich aufzugeben, alle Informationen, über die er verfügte, der Polizei zu übergeben und auf ihre Gnade zu hoffen. Er richtete sich auf und lauschte dem Regen, der auf die Blätter prasselte. Was war er doch für ein Idiot.
    Dann schaute er noch ein letztes Mal in das Loch und fragte sich, was eine Serviette dort zu suchen hatte.
    Sie war beinahe verrottet, aber der Stoff war Baumwolldamast.
    Nur ein paar Fingerbreit Stoff waren übrig geblieben, aber er konnte sich den Rest vorstellen. An den Rändern war sogar noch ein Blumenmuster zu erkennen, das sich auf jedem Esstisch gut gemacht hätte.
    Oder auf dem feinen Porzellan, das Tante Moira bei ihren Freitagsdiners benutzte.
    Niall beugte sich vor und zog vorsichtig an der Serviette, die mit einem müden Ächzen riss. Roisin hätte die Klinge niemals ohne Verpackung vergraben, begriff Niall, und sein Knöchel pochte stärker. Sie hätte sie eingewickelt, denn sie war ein gut erzogenes Mädchen, auch wenn sie den Satansbraten spielte. Er schlug den schmutzig braunen Baumwollstoff zur Seite und sah, was Jims Leben beendet hatte.
    Es war eine gezackte Klinge, deren Spitze bereits rostete. Blutspuren waren keine mehr daran zu sehen, was alle wahren Jäger von Jim-Souvenirs schwer enttäuscht hätte. Niall steckte die Klinge ein und verließ den Wald, so schnell er konnte, trotz seiner Schmerzen. Denn der Himmel schickte noch mehr Sommerregen durch seine Schleusen, und Niall konnte nicht mehr erkennen, ob zwischen den Bäumen jemand auf ihn lauerte. Es hätte ihn nicht sonderlich überrascht, wenn plötzlich Padraic und seine Wolfsjäger mitsamt ihren Bluthunden durch das Dickicht gebrochen wären. Die Bäume waren zwar in der Lage, Warnungen zu flüstern, doch sie hätten geschwiegen und zugesehen, wie die Hunde den ehemaligen Postboten zerfleischten. Denn sie wussten, wann sie schweigen mussten, um ihre eigene Haut zu retten. So stellte Niall es sich zumindest vor.
    Und obwohl er Märchen liebte, wusste er, wie diese Geschichte endete.
    Bronagh wartete am Ende des Pfades auf ihn. Sie lehnte an einem Zaun, und es fehlte nur noch eine selbst gedrehte Zigarette in ihrem Mundwinkel, dann wäre das Abbild eines Wildwest-Sheriffs perfekt gewesen, der den Viehdieb eiskalt anstarrt, bevor er ihn niederschießt.
    »Schlechter lag für ein Picknick«, sagte sie mit einem Kopfschütteln.
    Gott, sogar ihre Sätze waren aus schlechten Filmen geklaut.
    Niall musste ein Lächeln unterdrücken. »Ich weiß«, sagte er achselzuckend. »Zu nass für ein anständiges Feuer. Also bin ich früher gegangen.«
    Bronagh schaute auf den getrockneten Schlamm, der Nialls Kleider mit einem gleichmäßigen, schokoladenbraunen Film überzog. »Du bist noch nie rechtzeitig gegangen, seit du hier bist.« Sie schlug ein Notizbuch auf und las langsam vor, als spreche sie mit einem Behinderten: »Unerlaubtes Eindringen in ein Schulgelände. Als Lehrer ausgegeben ... «
    »Das habe ich nie ... «
    »Unsittliches Entblößen vor einem Kind ... « »Jetzt regst du mich wirklich auf!«
    » ... Schändung eines Friedhofs, unerlaubtes Kampieren auf Privatbesitz gestern Nacht und jetzt ... « Sie blickte auf Nialls schmutzige Hände. » ... Vandalismus auf staatlichem Land. Und als ob du nicht schon genug Probleme hättest: Gerade bin ich an Donald Cremin vorbeigefahren. Er sucht nach dem Mann, der seine Tochter begrapscht hat.« Ein Fernseh-Cop-Lächeln. »Und ich kann dir versichern, der alte Donald läuft nicht morgens um halb sieben mit einem Baseballschläger durch die Gegend, um die Natur zu genießen.«
    »Ich weiß, warum du das machst«, sagte Niall und beobachtete Bronaghs Finger, die nervös mit dem Reißverschluss ihrer Uniformjacke spielten.
    »Dich festnehmen?« Sie schaute sich um. »Hab dich oft genug gewarnt.«
    »Nein«, antwortete Niall. Er erinnerte sich daran, wie künstlich die Dekoration von Aoifes Cottage gewirkt hatte. Diese brandneuen Federn. Die unnatürliche Angst seiner Verfolger vor dem Ort, die er vorher überhaupt nicht begriffen hatte. »Ich spreche davon, wie du den Mythos der verfluchten Walsh-Familie am Leben erhältst. Bisschen Voodoo? Komm

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