Darling Jim
das Schicksal »ihnen die Hand geführt habe«. Jämmerlich. Wir haben guten, soliden Stahl für unsere Tat verwendet und uns danach die Hände am Gras sauber gewischt. Aber ich fange hinten an, tut mir leid. Wenn du weiterliest, wirst du vielleicht verstehen, wie solche Widersprüche in einer Person existieren können, deren größtes Problem war, dass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie unser Leben vorher gewesen war. Vor Jim.
Jetzt, da du weißt, wer ich bin, kann ich dir auch gleich noch etwas anderes gestehen. Und das fällt mir viel schwerer, als mit dem Etikett Mörderin zu leben.
Es ist meine Schuld. Und zwar alles.
Wenn mir der attraktive junge Mann auf dem sexy Motorrad nicht aufgefallen wäre, lägen wir alle immer noch gemütlich in unseren Betten daheim in West Cork. Aber nachdem ich in seine Augen geschaut und mich in ihren Tiefen verloren hatte, konnte ich dieses Gefühl nicht mehr vergessen. So etwas kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt nur aus Büchern. Man sagt, Opium habe eine ähnliche Magie, aber dies war stärker. Als er mich ansah, fühlte ich mich zugleich in Schrecken versetzt und erleichtert. Und dass es mir so schwerfällt, dieses Gefühl zu beschreiben, sollte dir klarmachen, welche Macht er über mich hatte.
Denn Jim war eine Naturgewalt, für die es noch keinen Namen gibt. Zerstörung, Wut und Verführung in einem.
Oja, er verführte mich. Er verführte uns alle.
Und alles begann mit einer schadhaften Benzinleitung. Warum fuhr ich nicht einfach weiter? Bilde dir ruhig dein eigenes Urteil darüber, dann setz dich zu mir und hilf mir, es zu begreifen. Denn so wahr mir Gott helfe, ich begreife es immer noch nicht ganz.
Es war vor nicht ganz drei Jahren, zu Hause in Castletownbere.
Irgendwann im Mai, glaube ich. Der Himmel war wolkenlos, als mir eine Gestalt auffiel, die sich am Straßenrand über eine 1950er Vincent Comet beugte und halblaut fluchte. Ich bremste mein Fahrrad ab und dachte, er würde es nicht merken. Aber er drehte den Kopf und sah mich über die schmale Straße hinweg an.
Und mit einem Blick brach er mich auf wie einen Safe und stahl alles, was er darin fand.
IV.
Der erste Satz, den ich aus seinem Munde hörte, war: »Ist das Auto groß genug für dich?«
Er sagte das natürlich nicht zu mir, sondern zu dem Heck des riesigen gelben BMWs, der ihn beinahe streifte, als er durch die enge Straße beim Marktplatz röhrte. Der Tourist, dessen Nummernschilder verrieten, dass er und seine mit Klunkern behangene Freundin aus einem Land mit Rechtsverkehr stammten, hielt an und lehnte sich aus dem Fenster. Der Fahrer hatte unzählige Kinne, und die sich wölbenden Muskeln an seinem Oberarm hätten jeden normalen Mann zur Räson gebracht. Eine Taucheruhr, deren Gewicht die Bismarck versenkt hätte, glitzerte in der Sonne.
»Was hast du zu mir gesagt, din skitstävel?«
Der Motorradfahrer in der schäbigen Lederjacke hob den Kopf, und ich sah, wie das schwache Sonnenlicht seine Augen aufblitzen ließ. Sie zeigten keinerlei Furcht. Der Kerl war umwerfend. Bevor er antwortete, nickte er mir noch zu. Ich lehnte mich auf mein Fahrrad, um mir die Show anzusehen. Bis heute kann ich nicht genau beschreiben, was ich in seinen Augen sah. Vielleicht war es nur Aggression oder ein unausgesprochenes »Fuck you«. Aber es lag noch etwas anderes darin, was dem Autofahrer, der die Tür öffnete und einen halben Schritt auf die Straße machte, offenbar nicht sofort auffiel.
»Ich habe dich was gefragt.«
»Kalle, setz dich ins Auto. Sofort!« Eine blonde Gestalt beugte sich über den Fahrersitz und griff nach dem Wildlederhemd des Mannes. Aber der ließ sich nicht beirren, machte noch einen Schritt und bereitete sich darauf vor zu zeigen, wer hier der Boss war.
Bis er den Ausdruck in den Augen des jüngeren Mannes sah. »Kann ich dir ein Geheimnis verraten, bevor du dich noch mehr aufregst?«, fragte er den Schweden.
Der Motorradfahrer trat mit hängenden Armen ganz dicht an den Mann heran und legte seine sinnlichen Lippen an sein fleischiges Ohr. Ich sah, dass er nicht nur einen phantastischen Arsch hatte, sondern in seinen engen schwarzen Jeans und dem schwarzen T-Shirt auch mehr als nur Muskeln durch die Gegend trug. Er bewegte sich so lässig, als hätte er alle Zeit der Welt, und flüsterte dem Fahrer etwas ins Ohr. Der wollte protestieren und ballte die Fäuste. In diesen riesigen Fleischballen hätte er den Kopf seines Gegenübers mitsamt dessen Keanu-Reeves-Frisur
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