Darling Jim
ausgegeben, die herausfinden sollten, was mit dir geschehen war. Einer las in den Eingeweiden eines alten Wolfes, den wir kurz nach deinem Verschwinden fingen, dass du ganz in der Nähe seist, jedoch nicht in menschlicher Form. Alle Zeichen deuteten darauf hin. Seitdem veranstalte ich diese lächerlichen Wolfsjagden, die das gemeine Volk amüsieren, aber nur einem einzigen Zweck dienen: dich zu finden. Und als ich dich heute im Wald sah, wusste ich, dass meine Suche zu Ende war.“
„Du willst Ned rächen“, sagte Euan und begriff, dass er ihre Gemächer nicht lebend verlassen würde.
Prinzessin Aisling begann so herzlich zu lachen, als betrachte sie neugeborene Kätzchen, die vom Sonnenlicht geblendet Grimassen zogen. ,Den mutigen Soldaten, der sein Leben in den Dienst seines Vaters stellte? Nein. Du bist es, der mich interessiert. Deine Stärke, deine Schlauheit. Du hast den Sieg errungen, weil du im richtigen Augenblick gehandelt hast und ein Königreich regiert hast, als dir noch kein Bart wuchs.“ Sie lächelte. „Glaubst du wirklich, ich hätte diesen armen Soldaten zu einem Schäferstündchen im Wald überredet, wenn ich nicht glauben würde, dass du zwischen Beute und Familie zu unterscheiden weißt?“
Euan war zu fassungslos, um zu antworten. Sein altes Leben in Pelzen und Königsgewändern war wieder zum Greifen nah. Und obendrein hatte man den alten Wolf ausgeweidet, der ihn verflucht hatte. So viel zu Gott und den Parzen, dachte er, und Triumph stieg in ihm empor.
Aisling erhob sich, kniete sich neben Euan und löste die Fessel um seinen Hals. Sie roch nach Honigtau und frisch gewaschenem Haar und legte ihre Hand auf sein pochendes Herz. Ihre Augen schienen einen Augenblick lang die Farbe zu wechseln und leuchteten nicht mehr himmelblau, sondern im gleichen Goldbraun wie seine. Dann war der Spuk vorbei.
„Ich regiere seit mehr als drei Jahren allein in dieser Burg“, sagte sie. „In dieser Zeit hat der arme Padraic mehr als einmal vergessen, wer er ist. Er nährt die Hoffnung, dass er eines Tages neben mir auf dem Thron sitzen und die Krone tragen wird. Manchmal lasse ich einen oder zwei Diener in meine Gemächer kommen, um mich zu amüsieren. Aber ich warte schon lange nur auf dich.“ Sie griff hinter sich und löste das Kleid, das mit einem leisen Rascheln zu Boden fiel. „Meine Wahrsager haben mir gesagt, wie der Fluch gelöst werden kann. Komm zu mir, und zeige mir, dass sie recht hatten.“
Nackt und furchtlos stand sie vor ihm und machte nicht einmal den Versuch, ihren Schoß zu bedecken, als Euan langsam aufs Bett zukroch.
Er lauschte auf das Blut, das in seinen Ohren rauschte, aber die Botschaften waren widersprüchlich.
,Töte sie!“, sagte die Stimme, die ihm im Wald immer gute Dienste geleistet hatte.
,Liebe sie“, rief eine andere, fremde Macht, die Teile seines Körpers vibrieren ließ, an die er sich erst jetzt wieder erinnerte. ,Komm zu mir, Vetter“, lockte Aisling.
Euan senkte den Kopf und beschnüffelte den Boden zu ihren Füßen. Dann sah er auf. Ihre Brüste waren klein und rosig überhaucht und ihre Finger so zart wie der Lauf eines Kaninchens. Diese blauen Augen machten es ihm unmöglich, seinen Preis nicht in Besitz zu nehmen.
Seine Lefzen hoben sich, und die miteinander streitenden Impulse in seinem Tierkörper verschmolzen zu einem einzigen. Seine Schnauze berührte ihr Schienbein. Er leckte daran und schmeckte Seife. Das Rauschen des Blutes in seinen Ohren war so laut wie das Gebrüll einer Hundertschaft Männer.
Ein Knurren, das seinem Raubtierherz entsprungen war, bahnte sich seinen Weg in die starke Kehle des Wolfes und wurde dabei lauter und lauter.
Der Wolf hatte seine Entscheidung getroffen.«
XI.
Der Applaus blieb aus. Ich sah, wie alle sich erwartungsvoll vorbeugten und auf die Auflösung warteten. Aber Jim war verstummt.
»Und?«, fragte eine ungeduldige Frauenstimme. »Was hat der Wolf getan?«
Die Legion der Singlefrauen teilte sich einen Augenblick lang, und ich erhaschte einen Blick auf Jim, der sich auf seinem Barhocker zurücklehnte und sich eine Zigarette anzündete. Niemand protestierte. Er schlug die Beine übereinander, verzog sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln und sonnte sich in der gespannten Erwartung. Dann lächelte er breiter als vor zwei Tagen in meiner Wohnung und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Nun, was glaubt ihr?«, fragte er. »Wird er sie töten oder lieben?«
Ohne Zögern stimmten die meisten
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