Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
Vom Netzwerk:
verkrampft auf ihre vorschriftsmäßige Krawatte, als wäre sie bei einer Parade. Oder als ob sie versuche, nicht zu weinen.
    »Erinnerst du dich an diesen Japaner?«, fuhr ich hartnäckig fort. »Weißt du, wen ich meine? Der Typ, der für Jim den Hut rumgehen lässt? Ich glaube, er hat gestern Abend jemanden ermordet.«
    Bronagh sah mich mit unbewegtem Gesicht auf eine Art an, die mir wieder bewusst machte, warum sie überhaupt Polizistin geworden war. Ihr Blick durchbohrte mich, die Mauer, ganz Castletownbere und das restliche Irland, bis er schließlich auf dem bislang unbekannten Verbrechen zur Ruhe kam, das es aufzuklären galt. »Gestern Abend?«, fragte sie, und ihre Stimme verriet mir, dass sie ein Geheimnis verbarg. Ihre Miene war wieder selbstbewusst geworden.
    Ich nickte, endlich hörte sie mir zu. »Ja. Ein paar Straßen östlich hinter Adrigole. Ich bin Jim die Straße hinauf gefolgt, uind dieser Typ, Tomo, war auch da. Eine Frau namens Kelly, keine Ahnung, wie sie weiter heißt, lebt da oben ganz allein in einem Steincottage. Jim ist mit ihr nach oben gegangen, und Tomo hat unten so lange alles geklaut, was an Wertsachen im Haus war. Er hat mich ertappt und versucht, mir die Kehle durchzuschneiden, aber ich konnte abhauen. Bronagh, du musst sofort jemanden da hochschicken.«
    Es dauerte volle fünf Sekunden, dann verzog sich Bronaghs Gesicht zu einem Lächeln, das mir genau zeigte, wie haushoch überlegen sie sich gerade fühlte. Höchstwahrscheinlich üben das alle Gardai täglich vor dem Frühstück. Sie erhob sich und bedeutete mir, ihr die Treppe hinunter zu folgen.
    »Hast du mir überhaupt zugehört?«, fragte ich und nickte zwei vom Frühstück zurückkehrenden Gardai zu, deren blaue Uniformen voller Krümel hingen.
    »Aber natürlich«, sagte meine kleine Bullette in selbstzufriedenem Ton und stieg weiter die staubige Treppe hinab, bis wir beide vor einer von Rost überzogenen Stahltür standen. Bronagh drehte mit einer geübten Bewegung elen Türknauf und riss die Tür auf.
    »Bist du ganz sicher, dass sich das alles gestern Abend abgespielt hat?«, fragte sie.
    »Spiel nicht die böse Gouvernante, Bronagh. Genau das habe ich gesagt. Und wenn du das Cottage ordentlich durchsuchen lässt, wirst du wahrscheinlich herausfinden, dass diese Kelly auf die gleiche Art ermordet wurde wie Sarah und diese Mrs. Holland in Drimoleague.«
    »Klingt, als seist du einem Serienmörder auf der Spur«, fuhr Bronagh unbeirrt fort, schloss einen Metallschrank auf und zog schwungvoll eine Lade heraus, die geräuschvoll einrastete. Dann schlug sie eine Gummidecke zur Seite.
    Direkt vor meiner Nase lag mein Chinamann, und er war genauso tot wie der Plastikjesus.
    Sein schmales Pferdegesicht war auf die doppelte Größe angeschwollen, und es sah aus, als habe irgendjemand so lange auf seine Wangenknochen eingeprügelt, bis sie schließlich nachgaben. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass so ein Mensch aussehen musste, auf den sich Gott selbst gesetzt hatte. Entweder das, oder Jim hatte seine olivfarbene Haut mit einem Baseballschläger bearbeitet. Die Vogelscheuche vor mir war auf keinen Fall das Ergebnis eines Autounfalls mit Fahrerflucht, so viel war sicher. Na ja, außer der Fahrer hätte noch mal den Rückwärtsgang eingelegt, um die Sache richtig zu Ende zu bringen.
    »Kannst du mir erklären, wie er in diesem Zustand versucht haben soll, dich umzubringen?«, fragte Bronagh.
    »Jesus!«, keuchte ich, fuhr zurück und knallte mit dem Kopf gegen die Kühlfächer, in denen die Polizei die restlichen Verblichenen aufbewahrte.
    »Genau das habe ich auch gesagt, als die alte Mrs. Monaghan heute früh hier anrief, weil ihre Enkelin etwas Ekliges am Ufer gefunden hatte«, sagte Bronagh, die sich an meinem fassungslosen Gesicht weidete. »Wir haben noch keine forensische Analyse vorliegen, aber es sieht so aus, als habe ihn jemand ordentlich bearbeitet, bevor er nass wurde.«
    »Gestern Abend war er noch lebendig. Ich schwör's dir.« Ich drehte den Kopf zur Seite, damit Bronagh die rote Linie sehen konnte, die Tomos Klinge an meinem Hals hinterlassen hatte. »Siehst du das?«
    »Du solltest beim Rasieren besser aufpassen«, sagte sie achselzuckend und schob Tomo zurück in seine vorläufige ewige Ruhestätte. Dann führte sie mich wieder in den Flur. Wir verließen die Wache und gingen auf die Hauptstraße. Nach ein paar Metern zog Bronagh mich zur Seite, baute sich vor mir auf und legte mir wie im Film eine Hand

Weitere Kostenlose Bücher