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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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Finbar«, sagte ich. Aber als ich die Tür öffnete, wusste ich, dass das vermutlich nicht passieren würde.
    Die Rektorin glaubte mir natürlich kein Wort, als ich mich telefonisch krankmeldete.
    »Dann mal gute Besserung, Fiona«, sagte Mrs. Gately trocken, als sie sich meine weinerliche Erklärung über eine Lungenentzündung angehört hatte, derentwegen ich angeblich meine bösartigen Fünftklässler der Obhut einer Vertretungslehrerin überlassen musste, der die Monster noch vor Beginn der zweiten Stunde wahrscheinlich den Kopf abreißen würden.
    »Danke, Mrs. Gately«, sagte ich und verkniff mir ein Husten, weil ich nicht zu dick auftragen wollte. »Nächste Woche wird es mir bestimmt schon besser gehen.« Um die Wahrheit zu sagen, ging es mir wirklich nicht besonders, seit ich Jim zum zweiten Mal getroffen und wieder verloren hatte. Ich schlurfte zum Badezimmerspiegel und sah dunkle Ringe unter meinen Augen. Meine Wangen sahen bleich und teigig aus.

»Gut gemacht, Fiona«, sagte ich zu meinem Spiegelbild, zog meine Jacke an und verließ die Wohnung. Denn ehrlich gesagt schwänzte ich den Unterricht mit meinen Fünftklässlern aus der Hölle nicht nur aus reiner Faulheit. Die Vorstellung von Tomos Messer an meiner Kehle hatte mich keine Sekunde schlafen lassen, und außerdem musste ich ständig daran denken, dass die arme Kelly wahrscheinlich die ganze Nacht alleine in ihrem Bett im Cottage gelegen hatte. In einer bereits geronnenen Lache ihres eigenen Blutes.
    Deshalb entschied ich mich, Bronagh, die tapfere Kämpferin für Wahrheit und Gerechtigkeit, aufzusuchen.
    »Siehst gut aus für jemanden mit Lungenentzündung«, sagte sie brüsk und musterte mich über ihren mit Papieren übersäten Schreibtisch hinweg. Es war Frühstückszeit, und all ihre Kollegen schlugen sich im Cafe ein paar Häuser weiter den Bauch mit Toast und Rührei voll und hatten die wild um sich greifende Kriminalität dem jüngsten Mitglied der Truppe überlassen.
    »Wir Walshes haben gutes Heilfleisch«, wiegelte ich ab, setzte mich und reichte ihr eine Tasse Kaffee mit viel Milch und Zucker. So trank sie ihn am liebsten. Hätte jemand ein Bier erfunden, das nach Espresso schmeckte, würde sie begeistert klatschen, sich einen Schuss Milch hineinkippen und gleich zwei Pints auf einmal leeren.
    Sie akzeptierte mein Friedensangebot ohne großen Enthusiasmus und sah mich mit der gleichen offenen Missbilligung an, mit der mir meine Schwester gestern Abend begegnet war. Kurz war ich versucht, Mitleid damit zu schinden, dass Finbar sich furchtbar aufgeführt hatte, aber ich entschied mich dagegen. Es hätte wahrscheinlich nicht geklappt.
    »Was verschafft mir die Ehre?«, fragte Bronagh, schlürfte ihren Kaffee und hielt dabei nach Sergeant Murphy Ausschau, der sie auf dem Friedhof wegen ihrer Tränen zurechtgewiesen hatte. Ein Foto, das eine lebendige Sarah McDonnal in Flirtlaune zeigte, hing an einer Anschlagtafel unter der Überschrift HINWEISE ERBETEN. Von dem toten Mädchen, von dem ich in der Zeitung gelesen hatte, war bisher noch kein Foto zu sehen. Aber ich war sicher, dass Jim und der Chinamann liebend gerne zur Auflösung dieses speziellen Falles beitragen würden.
    »Ich habe etwas gesehen«, sagte ich und nahm allen Mut zusammen, weil ich wusste, dass ich wahrscheinlich wie ein Idiot klingen würde. »Gestern Abend. In den Bergen bei Glengarriff.« Wenn ich an Kellys Stöhnen aus ihrem Schlafzimmer im ersten Stock dachte, wurde ich sogar noch wütender als beim Gedanken an Tomos geflüsterte Todesdrohungen. Sogar jetzt noch. »Wirklich? Und was genau? Den armenischen Taschendieb, der meinen verehrten Kollegen da drüben entwischt ist? War er immer noch als Straßenmusikant verkleidet?«
    »Lass die Witze, Bronagh. Ich mein's ernst.«
    Sie beugte sich vor und vergaß mein dampfendes Friedensangebot völlig. Ihr Gesicht wurde leuchtend pink und sie deutete wütend auf den Papierstapel neben sich. »Und du glaubst, mir ist es nicht ernst? Denkst du, ich erfinde aus Verzweiflung Märchen, wie du? Wir haben täglich nur vier Stunden Zeit, um den Bürokram zu erledigen, Mom lässt Ava im Dreck spielen und sich mit Süßigkeiten voll stopfen und liefert sie dann dreckig und überzuckert bei mir ab, und Gary ist knapp davor, die brünette Kassiererin aus dem Supermarkt abzuschleppen und mich endgültig zu verlassen. Ich habe keinen Nerv für deine Hirngespinste, Fiona Walsh. Wirklich. Nicht heute.« Sie presste ihre Kinnfalten so

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