Darling Jim
auf die Schulter. Ein paar Fischer auf der Straße, die über irgendein Mädel tratschten, taten, als beachteten sie uns nicht, senkten aber die Stimmen, um ja kein Wort unseres Gesprächs zu verpassen.
»Jetzt hör du mir mal zu«, sagte sie. »Es ist deine Sache, ob du mit diesem Landstreicher ins Bett hüpfst und dem armen Finbar das Herz brichst. Aber ich werde nicht zulassen, dass du in meinen Ermittlungen herumpfuschst. Halte dich in Zukunft an deine Pyramiden mit ihren Mumien, und überlass die frischen Leichen uns, okay?«
»Ich weiß genau, was ich gesehen habe«, sagte ich und versuchte, leise zu sprechen. Der neugierige Sergeant Murphy hatte ein Fenster geöffnet und beobachtete uns. Bronagh sprach in ihrem gebieterischsten Tonfall, um ihn nicht zu enttäuschen.
»Geh nach Hause«, sagte sie verächtlich. »Und kurier deine ...
Lungenentzündung aus. Vielleicht wirst du ja wieder gesund, wenn dir dein neuer Freund ein schönes Märchen erzählt.« Und damit drehte sie sich um, ging in die Wache zurück und hoffte, dass sie sich mit dieser Vorstellung endlich den lang ersehnten Respekt ihrer Kollegen verdient hatte. Aber das würde sie niemals schaffen, egal, wie sehr sie ihnen in den Hintern kroch.
Mein eigen Fleisch und Blut hatte mir die kalte Schulter gezeigt, und meine frühere beste Freundin hielt mich für komplett durchgeknallt.
Zum ersten Mal in meinem bisherigen Leben fühlte ich mich mutterseelenallein.
Der Wind peitschte durch die langen Gräser an den Flanken der Caha Mountains und zerrte sie beinahe aus der Erde.
Ich war zwei Stunden lang gegen den Wind geradelt, um zurück zu der abschüssigen Wiese unter den Felsen zu gelangen. Jetzt lag ich bäuchlings auf dem Boden und versuchte herauszufinden, ob die Bewohnerin des Cottages unter mir noch am Leben war. Du kannst mich ruhig auslachen, wenn du willst, aber es ist wirklich nicht ganz einfach, Hercule Poirot zu spielen, wenn die Lerchen über deinem Haupt zwitschern, Wasserläufer vor dir nisten und streunende Schafe keinen Meter neben deinem Versteck an duftenden Kräutern knabbern.
Das Haus wirkte ruhig. Der Audi, den ich gestern gesehen hatte, stand immer noch an Ort und Stelle, neben einem schlammverkrusteten alten Landrover, der aussah, als wäre er den Seiten eines Jagdkatalogs entsprungen, so schmutzig und zerkratzt war er. Ich wollte wirklich runtergehen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Wahrscheinlich war es nackte Angst, auch wenn ich es damals sicherlich gesunde Vorsicht genannt hätte.
Wenn ich den Gesang der Vögel und das Rauschen der Halme ausblendete, hörte ich ein fernes, dumpfes Pochen. Es klang, als schlage jemand mit der Handfläche auf eine Tischplatte. Dann eine Pause, dann erneutes Schlagen.
Ich kroch langsam vorwärts durch das Gras und verzierte das gelbe Blumenkleid, das ich Aoife stibitzt hatte, mit grünen Bremsspuren. Schließlich sah ich, woher das Geräusch kam.
Die Eingangstür stand genauso weit offen wie gestern Abend, und der Wind schlug sie wieder und wieder gegen den Rahmen. Ich fasste Mut und stand auf. Das Blut in meinen Adern gefror zu Eiswasser. Falls Kelly wirklich oben lag und den Schmeißfliegen ein Festmahl lieferte, wollte ich es nicht sehen. Aber da unsere tapfere Gesetzeshüterin mich für eine geistesgestörte Drückebergerin hielt, blieb mir ja wohl nichts anderes übrig.
»Hallo?«, rief ich, aber der Wind trieb das Wort fort, bevor es die Tür erreichte. Ich befand mich in der Nähe meines gestrigen Lauschpostens und konnte meine eigenen Fußabdrücke im lehmigen Boden sehen. Bumm! Die Tür knallte noch einmal zu, und ich fuhr vor Schreck beinahe aus der Haut. Dann drückte ich mir die Nase an der Scheibe platt und spähte ins Hausinnere, konnte aber keine Veränderung zu gestern feststellen. Ich hatte darauf gehofft, dass mir ein Milchkarton oder eine Kaffeetasse die Angst davor nehmen würden, dass Darling Jim Quick als kleines Andenken an seinen Besuch im Schlafzimmer eine blutige Leiche hinterlassen hatte. Ich verfluchte meine Neugier und noch mehr meinen Wunsch, ihn wiederzusehen. Denn wenn ich ganz ehrlich bin, war mein eigentliches Motiv, eine Reihe von Mordfällen aufzuklären, die meiner Überzeugung nach direkt zu ihm führten, der Wunsch, noch einmal in diese Bernsteinaugen zu blicken und ihre Geheimnisse zu ergründen. Davon kannst du halten, was du willst. So war es nun mal. Meine Solidarität mit den armen Mädchen hatte ihre Grenzen, und alles, was darüber
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