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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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stammte aus irgendeiner Ecke Russlands, und ich konnte ihren Namen nicht richtig aussprechen, selbst wenn ich den Kopf voller Guinness hatte und es mit Engelsgeduld versuchte. Ich nannte sie einfach Evi. Sie war großartig und die einzige Person, die Rosie wirklich aufheitern konnte. Im Gegensatz zu Rosie, die der dunkelsten Ecke von Gottes Phantasie entsprungen sein musste, war sie so anmutig und leuchtend wie eine Elfe. Sie bewegte sich mit einer flüssigen Grazie, die man sonst nur bei Schwimmern findet, und das auch nur, wenn sie im Wasser sind. Die beiden hatten sich an der UCC eine Wohnung geteilt, in der Evi immer noch lebte, und sie besuchte Rosie hier, sooft sie Lust hatte. Die Hand, die zur Begrüßung meine schüttelte, war klein und drückte fest zu. Ich merkte, dass sie sich freute, mich zu sehen.
    »Hey, wie geht es dir?«, fragte Evi mit ihrem eigenartig abgehackten Akzent und ging zurück in die Küche, in der seit ihrem letzten Besuch niemand mehr gekocht hatte.
    »Och, ganz gut«, log ich. »Was zauberst du?«
    »Gedämpften Lachs mit Gemüse«, sagte sie und betonte jede einzelne Silbe. Rosie, die ihren schmalen Mund seit einem Jahr küsste und immer noch nicht wusste, wie man ihren Namen richtig aussprach, nannte sie nur »Iwana die Schreckliche«.
    »Super. Wo ist die Prinzessin? «
    Evi deutete mit dem Daumen in Richtung Schlafzimmer, aus dem der vertraute Klang elektronischer Stimmen drang. Dort fand ich das einzige Mitglied meiner Familie, das einen noch schlechteren Ruf genoss als ich momentan. Das Murmeln aus ihren Lautsprechern schwoll an und verebbte, als wäre ein Chor von Engeln für alle Ewigkeit in dem Radio gefangen und würde verzweifelt nach einem Ausweg suchen.
    »Hey, du Genie«, sagte ich. Beim Anblick der zusammengekauerten Gestalt in dem pinkfarbenen T-Shirt mit dem Schriftzug POG MA HON, die an den Reglern drehte und gleichzeitig an einer Zigarette zog, durchströmte mich Erleichterung. Evi hatte Rosie bestimmt kein T-Shirt geschenkt, das die Öffentlichkeit dazu aufforderte, sie am Arsch zu lecken. Sie hatte es wahrscheinlich selbst bemalt.
    »Endlich lässt du dich sehen«, sagte Rosie und umarmte mich heftig. »Die russische Prinzessin bleibt ein paar Tage. Das bedeutet, dass wir endlich mal was Besseres zum Frühstück kriegen als das übliche altbackene Brot.« Ihr Gesicht wurde plötzlich beinahe unnatürlich ernst, und sie sah aus wie jemand, den der leichteste Windhauch umwerfen könnte. »Hab gehört, unser Möchte-gern-Columbo hat dich auflaufen lassen, um ihre Kollegen in Blau zu beeindrucken. Scheiß auf sie.« Ihre abgekauten, schwarz lackierten Nägel gruben sich in mein Handgelenk. In diesem Augenblick hätte sie für mich getötet. Wie sich herausstellen sollte, würden wir beide das bald für jemanden anderen tun.
    »Danke, Rosie«, sagte ich und musste einen Augenblick wegsehen, um nicht vor lauter Glück loszuheulen. »Hast du heute schon von Taxi Driver gehört?«
    »Ah, mach dir keinen Kopf wegen Aoife«, sagte Rosie und drehte den Regler zwei Zentimeter nach rechts zu einer Stimme am äußersten Rand des Bandes, wo sich nur die wahren Hardcorefans herumtrieben. »Sie wollte sich deinen seanchai selber unter den Nagel reißen. Sie hat vorher angerufen und gesagt, sie hätte dir ein paar Sachen vor den Latz geknallt, die ihr jetzt schon wieder leid tun. typisch. Sie hat ihren Footballspieler angerufen, die Vorhänge sind zugezogen, und heute nimmt sie keine Aufträge mehr an.« Rosie lächelte Evi zu, die gerade den Tisch deckte. »Was ist denn los mit diesen Schönlingen? Uns harmlose, anständige Mädchen so auszunutzen, also wirklich.« Der Totenkopfring an ihrem Zeigefinger blitzte auf, als sie den Regler justierte, um die Stimme eines Mannes einzufangen, die durch den Rauschteppich kaum auszumachen war.
    »Ich komme mir vor wie ein Volltrottel, Rosie«, sagte ich, nahm den Zeitungsartikel über den» Unfalltod« von Mrs. Holland aus der Tasche und reichte ihn ihr. »Ich war mir so sicher, dass ... «
    »Du bist meine große Schwester, und ich würde für dich Eselspisse trinken«, unterbrach sie mich und griff nach meiner Hand. »Aber jetzt lass mal gut sein, okay? Dein Typ ist kein Saubermann, das wissen inzwischen wohl alle. Vielleicht hat er auch mehr geklaut als ein paar Frauenherzen, aber wenn du überall nur noch Mörder siehst, dann drehst du bald durch.« Ihr Mund verzog sich zu einem so breiten Lächeln, dass sie sich mit der Spitze ihrer

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