Darling Jim
Wort und ließ ihn sofort wieder auf seinen Hintern plumpsen. Schöner Flüchtling. Die Stimme in seiner Nähe klang wie seine Verfolger, die ...
»Keine Panik«, sagte das Kind kichernd.
»Gerade suchen sie die Küstenstraße ab. Aber sie werden bald wiederkommen.«
»Wer ... ?«
Ein Mädchen in einem schwarzen Regenmantel und viel zu großen Gummistiefeln, die wahrscheinlich ihrer Mutter gehörten, kam hinter einem Baum hervor. Sie hatte die Kapuze fest um ihr rundes Gesicht gezurrt, aber es gab keinen Zweifel daran, dass Fiona Walshs ehrgeizigste Schülerin vor ihm stand.
Mary Catherine Cremin kniete sich lächelnd neben Niall. »Willst du die Jäger zu ihrer Beute führen?«, fragte er bitter.
»Du hast etwas, das ich haben will. Lass uns tauschen. Und tu bloß nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche.« Sie zog eine altmodische Sturmlampe aus ihrer Tasche und legte ihren Daumen auf den Schalter. »Auf das Licht dieses Dings hier reagieren mein Vater und die anderen nämlich noch schneller als auf einen Anruf. Sie sind alle auf der Suche nach dem Fremden, der so lange mit Mr. Cremins einziger Tochter allein war. Stell dir das mal vor.«
Niall sah sich um und sah bei der Hauptstraße einige bläuliche Lichter flimmern, die nicht recht zu wissen schienen, wo sie als Nächstes suchen sollten. Und es genügte ein einziger Lichtstrahl auf dem Hügel, um sie ihr Ziel finden zu lassen.
Mary Catherine holte noch etwas aus ihrem Schulranzen, den sie sich fein säuberlich vor die Brust geschnallt hatte. Es war in einen braunen Umschlag eingeschlagen.
»Ein fairer Tausch, findest du nicht?«, fragte sie. Die Seiten des Notizbuches, das sie aus dem Umschlag zog, waren von Feuchtigkeit wellig und aufgequollen. »Ich hab das Ganze schon abgeschrieben und brauche es nicht mehr. Aber mir fehlt der erste Teil der Geschichte. Miss Walshs Tagebuch. Zeig es mir.«
Sie hatte sich so nah vor ihn gestellt, dass Niall ihre großen blauen Augen sehen konnte. Er fand kein Mitgefühl in ihnen und auch kein Zögern. Also griff er in seinen Rucksack, ertastete die Plastikhülle, die Fionas letzte Worte bedeckte, und streckte sie dem Kind hin.
»Wer war das Mädchen auf dem Friedhof?«, fragte er.
Mary Catherine zuckte die Achseln. »Die tauchen immer wieder auf, und der Friedhofswärter verjagt sie irgendwann. Manche rauchen so viel Gras, dass man es meilenweit gegen den Wind riecht.« Sie lächelte schlau. »Aber mein Vater warnt mich vor fremden Männern, nicht vor Hippiernädchen.«
»Was soll ich seiner Meinung nach denn in dem Klassenzimmer getan haben?«
»Benutz deine Phantasie. Seit Jim ist es ziemlich einfach geworden, Eltern mächtig Angst einzujagen.«
»Du kleine Hexe.«
Sie machte eine wegwerfende Geste. »Du solltest mir dankbar sein, dass ich dir Roisins Tagebuch einfach so gebe. Ich hätte es auch den Journalisten verkaufen können, die hier waren.« »Wie hast du es überhaupt bekommen?«
Mary Catherine lächelte. Die Taschenlampenträger zu Nialls Linken schienen sich geeinigt zu haben und marschierten stumm den Hügel hinauf. In seine Richtung. »Ich habe dabei geholfen, nach Father Malloys Tod sein Büro aufzuräumen«, sagte sie. »Und da lag der Umschlag einfach so rum. Mrs. Kane, die Haushälterin, hat nicht gesehen, dass ich ihn eingesteckt habe. Aber einige Seiten sind ziemlich kaputt. Das Ding muss irgendwo im Regen gelegen haben.« Sie schaute hinaus in die Dunkelheit, und der erste Lichtstrahl streifte ihre Stirn. »Die Zeit ist um. Haben wir einen Deal?«
Niall reichte ihr Fionas Tagebuch. Nach kurzem Zögern reichte sie ihm ihres.
»Bleib nicht zu lange hier«, sagte Mary Catherine und klang jetzt aufrichtig besorgt um seine Sicherheit. Sie deutete nach Norden, zu den dunklen Hügeln in Richtung Eyeries. »Meide die Straßen, und lauf eine halbe Stunde in diese Richtung, bis du zu einem verlassenen Cottage kommst. Ich werde dort niemanden hinschicken, das verspreche ich.«
Nialls Knöchel brannte wie Feuer, aber die Angst verlieh ihm noch einmal neue Kraft. Er fuhr mit dem Daumen über Roisins Tagebuch. Es fühlte sich genauso an wie das ihrer Schwester, aber es war noch mehr beschädigt. Die ganze erste Hälfte war verklebt und würde wahrscheinlich kaum leserlich sein. »Warum gibst du es mir?«
Das kleine Mädchen runzelte die Stirn, als habe es noch nie eine so dumme Frage gehört. »Weil Mrs. Walsh gesagt hat, dass man zu Fremden nett sein soll.« Dann verschluckte die
Weitere Kostenlose Bücher