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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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sehen konnte, und die Vorfreude auf diesen Moment überwältigte alle Wut gegenüber denjenigen, die ihren Darling Jim womöglich für einen schlechten Menschen hielten.
    Das glaubte ich wenigstens. Zwei Sekunden lang.
    »Wir werden zusammen sehr glücklich werden«, sagte sie und lächelte immer noch wie die gütige Großmutter aus den Märchen, die Jim nie erzählen würde. »Und falls ihr Mädchen die Trauung stört oder davor in der Stadt üblen Tratsch über meinen Jim verbreitet, dann ... « Sie sah mich an wie eine Fremde und strich ein Fältchen auf ihrem Kleid glatt. »Dann werden euch nicht einmal Father Malloy oder Gottes Gnade vor meiner Rache schützen.«
    Als ich aus der Schneiderei taumelte, lief ich der Frau mit den am saubersten polierten Uniformknöpfen der Stadt in die Arme. Die ganz nebenbei meine Schwester und mich in unsichtbare Wesen verwandelt hatte. Seit mehr als einer Woche liefen Fiona und ich die Hauptstraße rauf und runter, ohne dass uns auch nur ein Mensch zugenickt hätte. Die Stadtbewohner steckten in einem Loyalitätsdilemma, das wussten wir. Sollten sie dem Stadtmaskottchen glauben oder den verrückten Walshes? Für die meisten würden Jims Bernsteinaugen sicher das überzeugendere Argument liefern. Aber von unserer ehemals besten Freundin hätten wir mehr erwartet.
    »Wie geht's, Bronagh? «, fragte ich und griff nach meinem Fahrrad. Dabei interessierte es mich eigentlich überhaupt nicht.
    »Steig ins Auto«, sagte sie, das Kinn auf ihr blütenreines Hemd gepresst. Mein Gott, wie sie diesen beschissenen Ford Mondeo liebte. Dieses dreckige Seifenstück auf Rädern.
    »Ach, jetzt heißt es also schon „Steig ins Auto“? Du sagst zum ersten Mal seit Ewigkeiten ein Wort zu mir und dann in diesem Pseudo-Cop-Jargon direkt aus der Bronx? Ist es inzwischen ein Verbrechen, ignoriert zu werden?«
    »Bitte«, sagte Bronagh und achtete nicht auf die Blicke zweier Sacred-Heart-Schüler, die neben dem Wagen verstohlen verbotene Zigaretten rauchten.
    »Ich habe zu tun.«
    »Ich weiß. Du gehst jeden Tag einkaufen. Für ... « Sie blinzelte. »Für Aoife.«
    »Na, sieh mal einer an. Wie man ihren Namen ausspricht, weißt du offenbar noch.«
    Inzwischen lief ich auf dem Gehweg und schob das Fahrrad.
    Bronagh fuhr mit Schrittgeschwindigkeit neben mir her und blockierte den gesamten Verkehr. Passanten tuschelten. Ein Mädchen deutete auf den weißen Streifenwagen und legte kichernd die Hand vor den Mund. Und ich wusste, dass zumindest eine Zeit lang der Ruf von Sergeantin Bronagh Daltry ein wenig zweifelhaft werden würde.
    »Steig ins Auto, Rosie. Um Himmels willen.«
    »Nur wenn du mein Fahrrad mitnimmst. Und hör auf, so zu tun, als wärst du im Fernsehen.«
    Bronagh antwortete nicht, stieg aber aus und griff mit immer blasser werdendem Gesicht nach dem Lenker. Ich stieg ein, spielte mit ihrem Funkgerät und hörte zu, wie meine alte Bessie unsanft auf den Fahrradträger geschnallt wurde. Gut so. Hoffentlich klemmte sich Bronagh den Finger ein. Als sie einstieg, waren ihre Lippen so fest zusammengepresst wie zwei Sardinen in der Dose.
    »Zufrieden?«, fragte sie und warf den Jungs, die uns mit ausgestrecktem Mittelfinger nachwinkten, einen grimmigen Blick zu.
    »Geht so«, antwortete ich. Über Funk kamen nur langweilige Verkehrsmeldungen.
    Sie schaltete das Gerät aus und wühlte im Handschuhfach nach den Süßigkeiten, die sie immer dort versteckte. Diesmal fand sie jedoch nichts. »Ich würde gerne mit dir über einen gewissen Mann namens Jim reden. Wäre dir das recht?«, fragte sie.
    »Wie wäre es, wenn du ihn einfach verhaftest, ohne groß darüber zu reden. Wäre dir das recht?«
    »Oh, das wäre klasse«, sagte Bronagh, die so wütend auf mich und auf sich selbst war, dass sie sich kaum beherrschen konnte. Sie steuerte das Auto bis zum Ende des Piers, auf dem wir als Kinder gespielt hatten. Die Trawler kamen gerade von Möwenschwärmen verfolgt zurück. Männer in Wollpullovern. standen schweigend auf dem steinernen Pier und warteten auf den Tagesfang.
    Bronagh hatte etwas auf dem Schoß liegen, aber ich hätte mir eher die Zunge abgebissen, als sie zu fragen, was es war.
    »Was denkst du eigentlich? Ich habe es wirklich versucht. Ich will seine braunen Augen durch die Gitter des Gefängnisses an der Rathmore Road sehen, und zwar vor Samstagnachmittag um zwei, das kannst du mir glauben.«
    »Schön, das zu hören«, sagte ich. Gegen meinen Willen begann sie mir leid zu tun. Ich konnte

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