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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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hatte, um ihn anzulächeln. Freitagabends veranstaltete er Pokerturniere mit den örtlichen Polizisten. Ganz zu schweigen davon, dass er schon zweimal sonntags im Kirchenchor mitgesungen hatte und Father Malloy schwer beeindruckt war. Aber ich wollte, dass Torwächter es aussprach.
    »Und der wäre?«
    »Das weißt du ganz genau«, sagte die Stimme, die jetzt wieder väterlich und tadelnd klang. »Er macht es sich in eurer Stadt bequem wie ein Kuckuck, der die anderen Vogeljungen aus dem Nest wirft und sich dort selbst ausbreitet. Er wird nie wieder abhauen. Wahrscheinlich hat er sich schon ein dauerhaftes Arrangement gesucht, habe ich recht?«
    Ich dachte an den Diamantring, den er unserer Tante Moira gekauft hatte, und wäre am liebsten sofort in ihr Schlafzimmer gestürmt, um diesem Mistkerl ein Messer dahin zu rammen, wo jeder andere ein Herz in der Brust hat. Dauerhaftes Arrangement, aber hallo. »Wer bist du?«, fragte ich. Ich hätte meinen Transceiver zerlegt, um an den Kerl heranzukommen. »Warum kommst du nicht her und nimmst die Sache in die Hand? Dank deiner Kristallkugel weißt du ja offenbar alles.«
    »Ich habe Angst vor ihm. Und die solltest du auch haben.« »Verrat mir seine Schwächen. Wie kann ich ihn aufhalten?« Wieder wusste ich die Antwort bereits, aber ich wollte wahrscheinlich von einer freundlichen Stimme hören, dass ich mit meiner Vermutung nicht völlig falsch lag.
    »Du hast doch gesehen, wie er Frauen ansieht«, sagte Torwächter und drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus, der gigantische Dimensionen haben musste. »Da hast du deine Schwäche, Nightwing. Und er trägt sie ganz offen zur Schau.«
    »Hast du schon mal versucht, ihn aufzuhalten?«, fragte ich.
    Aber ich hörte nur den endlosen Megahertz-Ozean rauschen, dessen Wellen sich hoben und senkten, egal, wer auf der anderen Seite zuhörte.
    Ich spürte eine Bewegung hinter mir und drehte mich um. Aoife stand im Türrahmen und hielt ihr blasses Gesicht in die aufgehende Sonne. Sie trug meine Motorradjacke als Schutz gegen die morgendliche Kälte, und ihre Füße steckten in ihren geblümten Gummistiefeln. Meine Zwillingsschwester kam zu mir und verstrubbelte mir mit beiden Händen das Haar. Ich hätte beinahe losgeheult, so froh war ich, dass sie endlich aufgestanden war. Wir gingen auf die Veranda, und Fiona schlurfte zu uns heraus, drei brennende Zigaretten im Mund. Zwei gab sie wie feierliche Geschenke an uns weiter. Ich sah meine Familie an und war so stolz wie eine Mutter, deren Kinder sich nach einem Sturz ganz alleine wieder aufrappeln.
    Ich drehte mich zu den beiden hin und lächelte. Phantastisch sahen sie aus, meine blonde Doppelgängerin und unsere Schwester, die Sphinx. Und ich wusste, was wir als Nächstes tun mussten. »Mir ist ein brillanter Gedanke gekommen«, sagte ich.
    Das Hochzeitskleid unserer Mutter glitzerte in der Sonne wie ein seidenes Gespenst aus meiner Kindheit.
    Zuerst hielt ich es für eine Halluzination, als ich es durch das Schaufenster der Schneiderei erblickte, an der ich auf der Hauptstraße vorbeilief. Ich war beim Supermarkt gewesen und hatte Vorräte für Aoife gekauft, die inzwischen Gott sei Dank auch wieder Brot und Äpfel zu sich nahm.
    Ich zog mein verbeultes Fahrrad zum Gehweg und drückte meine Nase an die Scheibe. In gewisser Hinsicht hatte ich sowohl recht als auch unrecht gehabt mit meiner seltsamen Vision. Es war wirklich ein altes lebendig gewordenes Familienfoto, aber das Gesicht der Gestalt, die das Kleid trug, war nicht länger das meiner Mutter.
    Stattdessen winkte mich meine Tante Moira, die wie eine jungfräuliche Braut strahlte, nach drinnen.
    »Links noch ein bisschen enger«, flüsterte sie der Schneiderin zu, einem stillen, sommersprossigen Mädchen, an dessen Namen wir uns nie richtig erinnern konnten. Tante Moira wartete, bis diese den gerüschten Stoff noch dichter an ihren neuen Supermodelhüften abgesteckt hatte. Dann wandte sie sich mir zu. Ihre Wangen glühten, und ihre Augen blickten in eine strahlende Zukunft. Mir wurde schon bei der Vorstellung schlecht. Wovon sie wohl träumte? Von einem Heim voller Glück und Gesundheit, den »herumtollenden kräftigen Kindern und dem Lachen glücklicher Dienstboten«, das Eamon de Valera uns allen am liebsten per ärztliches Rezept verordnet hätte? Ich fragte mich, ob der alte Dev sich jemals überlegt hatte, ob auch Kreaturen wie Jim solche Familien gründen sollten.
    »Gut siehst du aus, Tante Moira.« Am

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