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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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liebsten hätte ich das Kleid angezündet.
    »Danke, mein Schatz«, sagte sie, aber in ihren Augen lag eine Wachsamkeit, der nicht entging, wie falsch mein Kompliment klang. »Bleib doch ein bisschen. Ich würde gern mit dir reden.«
    »Klar«, antwortete ich, schnappte mir einen roten Samthocker und setzte mich darauf. Das Mädchen, dessen Namen ich immer wieder vergaß, machte sich im hinteren Teil des Raumes zu schaffen. Der Blick, den die unterwürfige Dienstmagd der zukünftigen Braut zuwarf, hätte einer Königin am Krönungstag gebührt. Tante Moira war inzwischen Castletownberes erster Superstar, und sie lächelte dem Mädchen huldvoll zu, den Kopf in den Nacken gelegt wie ein Filmstar aus den Vierzigern.
    Als sie sicher war, dass die Kleine sich verdünnisiert hatte, verschwand die Leinwandgöttin jedoch sofort.
    »Ihr wart letzten Freitag gar nicht da, deine Schwestern und du.«
    »Da hast du wohl recht«, antwortete ich. Was erwartete sie denn, nach dem, was Jim getan hatte? Gemeinsames Singen beim Roastbeef? Spaßige Kartenspiele nach dem Dessert?
    Moira beugte sich zu mir, weil die Schneiderin ihrer Majestät wahrscheinlich lauschte. Da sollte mich doch der Blitz treffen. Meine Tante trug sogar die guten Perlenohrringe meiner Mutter, die mein Vater ihr eines Sommers zum Hochzeitstag geschenkt hatte. Ich erinnerte mich an sie, weil wir an jenem Abend alle ins Kino gegangen waren und Mum sich dauernd an die Ohrläppchen fasste. Als wolle sie sicherstellen, dass sich Tom Cruise nicht in einer unbeobachteten Minute aus der Leinwand erhob und sich mit ihren Juwelen davonmachte.
    »Natürlich habe ich den Tratsch auch gehört«, sagte Tante Moira und blickte über meine Schulter auf die Straße hinaus. »Sie erzählen schreckliche Lügen über meinen Jim. Er sagt, das war schon immer so. Und ich bin auch nicht blind, obwohl ihr Mädchen das zu denken scheint.« Sie hob die Hand und legte sie auf meinen Oberarm. »Er hat früher ein bisschen über die Stränge geschlagen, das weiß ich. Ein paar Affären, zu viel Alkohol vielleicht. Aber das ist jetzt vorbei, das hat er mir versprochen. Aber die Gerüchte darüber, er habe Aoife etwas angetan, die kann ich ... « Sie verstummte. In die Augen sah sie mir immer noch nicht.
    »Ich schon«, sagte ich und befreite meinen Arm unauffällig, wie ich hoffte.
    Der Ausdruck der Bette-Davis-Augen veränderte sich, und die errötende Braut wurde in den Keller verbannt, in dem sie lebte, wenn es Drecksarbeit zu erledigen gab. Eine stahlharte Tante Moira lehnte sich nach hinten und nickte lange, als sei ihr auf einmal etwas klar geworden. Und dann sah sie mich an, als hätte ich ihr gerade erzählt, ihr Plastikjesus sei der Satan persönlich. Ich schwöre dir, ich war froh, dass sie gerade keine Nadel in der Hand hatte.
    »Aha«, sagte sie und schürzte die Lippen. »Hast du ihn dabei gesehen?«
    »Nein«, antwortete ich und sah, wie die loyale Schneiderin hinter dem Trennvorhang hervorlinste. »Das habe ich nicht.«
    Moira schüttelte den Kopf, ihre Ohrringe klimperten. »Wie kannst du dir dann so sicher sein? Wie könnt ihr ihn ohne Zeugen einer so grauenhaften Tat bezichtigen?« Auf ihren Wangen zeigten sich rote Flecken, und sie atmete heftig. Nervös pulte sie an einem perfekt manikürten Fingernagel herum, und rote Lacksplitter fielen auf den Boden wie frische Farbtropfen.
    Das Grauen begann, lange bevor er meine Schwester anfasste, dachte ich. Wie lange Tante Moira ihres wohl noch behalten durfte?
    »Ich weiß gar nichts, Tante Moira«, sagte ich so neutral und gehorsam, wie ich konnte. »Es tut mir leid, aber ich muss jetzt wirklich gehen. Meine Schwestern warten zu Hause auf mich.«
    Bei meinen Worten lächelte Tante Moira unwillkürlich. Offenbar sind manche Erinnerungen stärker als wabernde Wolken von Liebes-Voodoo oder der Magie, die Jim sonst offenbar einsetzte. Vielleicht sah sie uns Mädchen in diesem Moment als Kinder vor sich, in einem einzelnen, unbefleckten Bild aus der Zeit vor ihrem seanchai. Vielleicht wünschte sie aber auch, ich würde auf der Stelle tot umfallen, und verstellte sich nur gut. Ich werde es wohl nie erfahren. Dann verengte sie die Augen wieder und tupfte sich sorgfältig ein wenig Lippenstift am Mundwinkel ab.
    »Die Hochzeit ist am Samstag«, sagte sie mit vor Glück trunkener Stimme. »Um zwei in Sacred Heart. Es gibt eine Torte mit kandierten Veilchen und frischen Erdbeeren.« Jetzt lächelte sie so breit, dass man ihre Backenzähne

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