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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Kurz zuvor waren Bakterien als Krankheitsverursacher entdeckt worden. Der Mikrobiologe Stamen Grigorov fand zwar 1905 das von Metchnikoff beschriebene Joghurtbakterium, Lactobacillus bulgaricus , beschäftigte sich allerdings bald darauf mit der Bekämpfung von Tuberkulose. Durch die hilfreiche Wirkung von Antibiotika seit etwa 1940 war das Ding für die meisten gebongt: je weniger Bakterien, desto besser.
    Dass Ilja Metchnikoffs Überlegung und Grigorovs Bakterium dann doch Einzug in unsere Supermärkte fanden, haben wir Babys zu verdanken. Mütter, die ihre Babys nicht stillen konnten, hatten mit Milchpulver oft ein Problem: Ihre Kinder bekamen häufiger Durchfall. Die Milchpulverindustrie war darüber recht verwundert, weil die Inhaltsstoffe denen echter Muttermilch glichen. Was könnte da noch fehlen? Bakterien! Solche, die gerne auf milchigen Nippeln sitzen, und solche, die im Darm von gestillten Kindern besonders zahlreich vorkommen: Bifidobakterien und Lactobazillen. Sie spalten Milchzucker (Laktose) und stellen Milchsäure (Laktat) her, deshalb gehören sie zu den Milchsäurebakterien. Ein japanischer Forscher stellte mit Lactobacillus casei Shirota -Bakterien einen Joghurt her, den Mütter zunächst nur in der Apotheke erhielten. Gab man den Babys täglich etwas davon, hatten sie weniger Durchfall. Man fand in der industriellen Forschung wieder zurück zu Metchnikoffs Perspektive – mit Baby-Bakterien und bescheideneren Ansprüchen.
    Normaler Joghurt beinhaltet meistens Lactobacillus bulgaricus . Allerdings ist es nicht unbedingt exakt dieselbe Sorte wie die der bulgarischen Bergbauern. Die von Stamen Grigorov entdeckte Art wird heute genauer Lactobacillus helveticus spp. bulgaricus bezeichnet. Die Bakterien sind nicht besonders verdauungsresistent und kommen nur zu einem kleinen Teil lebendig im Darm an. Das ist für einige Effekte auf das Immunsystem auch gar nicht so wichtig – den Immunzellen genügt oft schon der Anblick einiger leerer Bakterienhüllen, um sich für ihre Arbeit zu motivieren.
    Probiotischer Joghurt enthält Bakterien, die von der Forschung zum Baby-Durchfall inspiriert wurden: Sie sollen nach Möglichkeit lebendig im Dickdarm ankommen. Bakterien, die der Verdauung trotzen können, sind zum Beispiel Lactobacillus rhamnosus, Lactobacillus acidophilus oder der bereits erwähnte Lactobacillus casei Shirota . So ein lebendiges Bakterium kann theoretisch mehr ausrichten da unten im Darm. Es gibt auch Studien, die ihre Wirkung belegen, aber sie reichen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit nicht aus. Tadaa-mäßige Slogans wie bei Yakult oder Actimel und Co. dürfen seither nicht mehr verwendet werden.
    Dazu kommt außerdem, dass man nicht immer zu 100 Prozent sicher sein kann, dass auch genug probiotische Bakterien im Darm ankommen. Eine Lücke in der Kühlkette oder ein besonders sauer oder langsam verdauender Mensch lässt die Bakterien möglicherweise schon früh alt aussehen. Schlimm ist das natürlich nicht, aber besser als ein normaler Joghurt ist ein probiotischer dann vielleicht auch nicht mehr. Um im riesigen Darm-Ökosystem etwas zu reißen, sollten sich etwa eine Milliarde Bakterien ( 10 9 ) munter auf den Weg machen.
    Fazit: Jeder Joghurt kann eine gute Sache sein, wobei nicht jeder Milcheiweiß oder viel tierisches Fett verträgt. Die gute Nachricht: Es gibt eine Probiotika-Welt außerhalb von Joghurt. Hier experimentieren Forscher in ihren Laboren mit ausgewählten Bakterien. Sie geben Bakterien direkt auf Darmzellen in Petrischalen, füttern Mäuse mit Mikrobencocktails oder lassen Menschen Kapseln voller lebendiger Kleinstlebewesen schlucken. In der Probiotika-Forschung haben wir mittlerweile grob drei Arbeitsfelder beobachtet, in denen unsere guten Bakterien bezaubernde Fähigkeiten an den Tag legen.
1 . Massage und Balsam
    Viele probiotische Bakterien kümmern sich gut um unseren Darm. Sie haben Gene, um kleine Fettsäuren wie Butyrat herzustellen. Damit können sie die Darmzotten einbalsamieren und pflegen. Gepflegte Darmzotten sind viel stabiler und werden größer als ungepflegte. Je größer sie sind, desto besser können wir Nahrung, Mineralstoffe oder Vitamine aufnehmen. Je stabiler sie sind, desto weniger Müll lassen sie durch. Das Ergebnis: Unser Körper bekommt viele Nährstoffe und weniger Schadstoffe serviert.
2 . Sicherheitsservice
    Gute Bakterien verteidigen unseren Darm – er ist schließlich ihre

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