Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
bakteriellen Problemländern wie Indien geboten. In Asien und dem Mittleren Osten sollte man sehr auf häufiges Händewaschen achten, Obst und Gemüse gründlich säubern, zur Not mit abgekochtem Wasser – Südeuropa ist auch nicht ganz ohne. »Cook it, peal it or leave it« – gilt nicht nur als Schutz vor Durchfall, sondern auch als Schutz vor ungewollten Resistenz-Souvenirs für sich und die Familie.
Gibt es Alternativen zu Antibiotika?
Pflanzen (Pilze wie der Penicillin-Pilz sind keine Pflanzen, sondern zählen zu den Lebewesen) stellen Antibiotika her, die seit Jahrhunderten funktionieren, ohne Resistenzen zu verursachen. Wenn Pflanzen abknicken oder löchrig werden, müssen an der betroffenen Stelle mikrobenfeindliche Stoffe hergestellt werden – sonst wäre die Pflanze im Handumdrehen ein Festmahl für die Bakterien aus ihrem Umfeld. Bei gerade beginnenden Erkältungen, Harnwegsinfekten oder Entzündungen in Mund- und Rachenraum kann man in der Apotheke pflanzliche Antibiotika in konzentrierter Form kaufen. Es gibt zum Beispiel Produkte mit Senf- oder Rettichöl, Kamille- oder Salbeiextrakten. Sie können teilweise nicht nur Bakterien, sondern auch Viren reduzieren. So hat unser Immunsystem weniger zu tun und eine bessere Chance, die Übeltäter zu vertreiben.
Bei einer heftigen Krankheit oder einer, die sich ohne spürbare Besserung hinzieht, sind solche pflanzlichen Mittel keine Lösung. Sie können dann sogar Schaden anrichten, weil man zu lange auf den Einsatz deftiger Antibiotika verzichtet. In den letzten Jahren haben Herz- und Ohrschäden bei Kindern infolge einer Infektion deutlich zugenommen. Häufig passiert das, wenn Eltern ihre Kinder eigentlich nur vor zu viel Antibiotika schützen wollen. Diese Entscheidung kann aber eben auch fatale Folgen haben. Ein gut ausgebildeter Arzt dreht einem nicht gleich bei allem Antibiotika an – aber sagt auch deutlich, wenn es nötig wird.
Mit Antibiotika werden Machtspielchen ausgetragen: Wir rüsten damit im großen Stil gegen gefährliche Bakterien auf – und die rüsten mit noch gefährlicheren Resistenzen zurück. Unsere Medikamentenforscher müssten dann eigentlich wieder nachrüsten. Jeder von uns geht einen Handel ein, wenn er diese Medikamente schluckt. Wir opfern unsere guten Bakterien, in der Hoffnung, das Schlechte zu bekämpfen. Bei einer kleinen Erkältung ist das mitunter ein schlechter Tausch, bei ernsten Krankheiten ein lohnendes Geschäft.
Es gibt noch keinen Artenschutz für Darmbakterien. Wir können mit Sicherheit sagen, dass wir seit der Entdeckung von Antibiotika viele Familienerbstücke vernichtet haben. Der neuentstandene Platz im Darm sollte möglichst gut besetzt werden – dafür gibt es die Probiotika. Sie helfen dem Darm dabei, nach dem Abwenden wahrer Gefahren wieder zu einem gesunden Gleichgewicht zurückzufinden.
Probiotika
Jeden Tag schlucken wir viele Milliarden lebende Bakterien. Sie sind an rohem Essen, einige überleben auch das Kochen, wir nuckeln unbewusst an unseren Fingern, schlucken unsere Mundbakterien hinunter oder küssen uns durch die Bakterienlandschaft anderer. Ein kleiner Teil von ihnen überlebt selbst die starke Magensäure und das attackierende Verdauungsprocedere und landet tatsächlich noch lebend im Dickdarm.
Den größten Teil dieser Bakterien kennt niemand – vermutlich tun sie uns nichts, oder sie tun irgendetwas Gutes, das wir noch nicht herausgefunden haben. Einige wenige sind Krankheitserreger, können uns aber in der Regel nicht schaden, weil es zu wenige auf einmal sind. Nur ein Bruchteil dieser Bakterien ist von uns komplett durchgecheckt und von offizieller Stelle als »gut« deklariert worden. Diese Bakterien dürfen sich Probiotika nennen.
Im Supermarkt steht man dann vor dem Kühlregal und liest das Wort »probiotisch« auf einer Packung Joghurt. Wir haben nicht wirklich eine Ahnung, was genau sich dahinter verbirgt oder wie es wirkt – aber viele von uns haben noch die Werbespots dazu im Kopf: Das Immunsystem wird gestärkt, und die verstopfte Tante wird wieder flott zu Potte gebracht, weshalb sie das Produkt ihrem Umfeld weiterempfiehlt. Das ist fein. Dafür gebe ich auch gerne einen Euro mehr aus. Und schwups hat man Probiotika im Einkaufswagen, dann im Kühlschrank und schließlich im Mund.
Menschen essen seit jeher probiotische Bakterien. Ohne sie gäbe es uns nicht. Das mussten auch einige Südamerikaner feststellen: Sie brachten schwangere Frauen zum Nordpol, die dort ihre
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