Darth Scabrous
sich neu zu orientieren, kehrte er in Gedanken zu dem zurück, was passiert war. Widerwillig kamen ihm die Einzelheiten des Angriffs in den Sinn, wie Trümmer, die nach einer Unterwasserexplosion an die Oberfläche treiben, und einen Augenblick später erinnerte er sich deutlich daran, an dieses Ding, das vom Turm gefallen war: An das Ding, das einst Wim Nickter gewesen war. Die Leiche des anderen, Jura Ostrogoth, war nirgends zu sehen. Jetzt fragte sich Ra'at mit krankhafter Neugierde, ob das Nickter-Ding sie vielleicht gefressen hatte.
Ob das nun stimmte oder nicht, er hatte noch nie gegen so etwas wie Nickters Leiche gekämpft, mit ihren toten Augen und dem hohlen, aber lodernden, wilden Hunger, den Mund so weit aufgerissen, dass er in den Mundwinkeln tatsächlich eingerissen war. In der höchsten Not hatte Ra'ats logischer Verstand die gesamte Frage der Plausibilität einfach ignoriert. Unglauben würde ihm hier nicht weiterhelfen, sondern ihn bloß verlangsamen, daher hatte er sich einfach mit der Situation abgefunden. Offensichtlich erwachten Tote wieder zum Leben, und dieser hier wollte ihn fressen.
Er erinnerte sich daran, wie das Nickter-Ding gekreischt hatte, als es sich das erste Mal auf ihn stürzte, daran, wie er automatisch reagiert hatte, wie er aus dem Weg gesprungen war und die akzentuierten Machtfähigkeiten eingesetzt hatte, die er in Hrackens Schmerzbunker entwickelt hatte. Als er in der Luft war, hatte er die überhängende Felsplatte des Bauwerks hinter sich gepackt und sich raufgeschwungen. Erst dann hatte er es gewagt, nach unten zu schauen.
Ra'at machte sich die Findigkeit zunutze, die man ihm als Teil seiner Ausbildung eingebläut hatte, packte den größten Brocken losen Gesteins, den er hochheben konnte - der Felsen musste genauso viel wiegen wie er selbst -, und schleuderte ihn über den Rand. Es war ein Volltreffer: Das Nickter- Ding wurde rücklings zu Boden geworfen, wo es den Stein sogleich beiseitestieß und wieder hochzuklettern begann. Falls überhaupt etwas, kam das Ding jetzt noch schneller näher, angetrieben von unverkennbarer Gier. Ra'at war bereits klar geworden, dass er nicht ewig hier oben verweilen konnte - er brauchte einen besseren Plan. Als er hinter sich sah, entdeckte er einen noch größeren Haufen mit Felsbrocken - die Überreste eines zweiten Stockwerks, das schon vor langer Zeit eingestürzt war.
Er hatte rasch, aber vorsichtig gearbeitet, hatte die Steinplatten aufeinandergeschichtet und sich dabei seine Finger und Knöchel aufgekratzt, bis er schließlich einen großen, wackligen Haufen hatte, der bloß deshalb aufrecht stehen blieb, weil er sich daran festhielt. Ra'at beschwor die Macht, konzentrierte sie auf den Haufen und nahm die Hände weg. Die Felsbrocken wankten, fielen jedoch nicht um. Als er sich umschaute, entdeckte er das Nickter-Ding, das sich auf den Überhang hochzog, die Augen hungrig auf Ra’at gerichtet.
»Na, dann komm!«, rief Ra'at und trat einen einzelnen Schritt zurück.
Nickter stürmte vor, und Ra'at ließ die Steine fallen, die auf das Bein des Leichnams krachten, gleich unterhalb des Knies, um das Ding dort festzunageln. Das Ding ruckte herum, zuckte krampfhaft und schrie ihn an, bis Ra'at einen weiteren Felsbrocken aufnahm - diesmal wieder mit den Händen - und ihn wuchtig auf Nickters Hals hinabsausen ließ. Ein überraschend lautes und zutiefst befriedigendes Knirschen ertönte, als die Halswirbel der Kreatur zerschmettert wurden, und das Ding erschlaffte.
Ra'at ging kein Risiko ein und hob den Felsbrocken ein zweites Mal, in der Absicht, dem Ding damit den Schädel einzuschlagen, und das war der Moment, in dem Nickter ruckartig wieder zum Leben erwachte, zischend und kreischend nach ihm schlug, sein Handgelenk nur um Zentimeter mit den Zähnen verfehlend. Als Ra'at daraufhin hastig zurückwich, hatte er den Halt verloren und war rückwärts von dem Überhang gestürzt. Anschließend war alles schwarz geworden.
Als er sich jetzt seinen Hinterkopf rieb, fragte er sich, ob sich das Ding womöglich immer noch oben auf dem Überhang befand, in der Dunkelheit zusammengekauert auf ihn lauerte. Er hatte nicht die Absicht herauszufinden, ob dem tatsächlich so war. Was er jetzt nötiger hatte als alles andere, war ein Ausflug auf die Krankenstation, wo er die Wunde am Arm säubern und behandeln lassen würde. Außerdem musste er auf Nummer sicher gehen, dass er keine Gehirnerschütterung davongetragen hatte. Ein flüchtiger Gedanke
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