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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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heiterer als in Argentinien.« - »Es gibt drei Gruppen. Erstens Leute wie wir, d.h. Künstler und Bildungsbürger; zweitens die wunderbaren Leute der einfachen Bevölkerung, arm und ohne Allüren; und dazwischen drittens diese unerträglichen Menschen, die sich Chilenen nennen.« Die Runde lacht wie über einen Witz, den sie nicht zum ersten Mal hört. Wie sich die Zeiten gleichen. Der Gastgeber sprach über den Zustand Chiles … sehr bescheiden: »Manche sehen mit zwei Augen und manche mit einem, aber was mich betrifft, so glaube ich nicht, dass Chile überhaupt mit einem sieht.«
    »So ist Chile. Es sind immer die anderen.« Das sagt nichts und verrät viel. Humor ist, wenn man trotzdem lügt, indem man die Wahrheit zur Pointe macht. »Wie verträgt sich das mit Ihrer Arbeit?« - »Ich bin auf der Suche.« - »Sind wir das nicht alle?« - »Ich suche das Besondere.« - »Und das ist?« - »Das andere. Ich suche das andere.« - »Und wo finden Sie es?« - »Zwischen den Menschen. Was sie trennt und verbindet.«
    Das macht vielleicht den Unterschied aus. Zwischen den Dingen liegen die Wahrheiten. Die Dinge selbst erzählen nichts über sich hinaus. Das verbindet Kunst und Wissenschaft. Darwin fertigt Listen an und denkt in Vergleichen. Er spannt seinen Kosmos vom Werden zum Vergehen, von der Fortpflanzung bis zur Felsformation. Mit jeder Erkenntnis wandelt er sich mehr zum Geistesmächtigen, der im Weltgeschehen das Wirken von Naturgesetzen sieht. Eines dieser Gesetze hat er soeben formuliert: die natürliche Auslese. Da er sich damit allein wähnt, verspürt er keinen Druck, seine Gedanken zu veröffentlichen.
    Aber auch ein Darwin muss sich mitteilen. Am 11. Januar 1844 schreibt er einen denkwürdigen Brief an den jungen, hochbegabten Botaniker Joseph Hooker. Der Sohn von Sir William Hooker, Direktor des Botanischen Gartens, ist gerade von einer Antarktis-Expedition zurückgekehrt. Er hat Darwins Reisebericht verschlungen und verehrt ihn so wie dieser Humboldt. Die beiden haben sich gleich angefreundet, da beichtet Darwin dem acht Jahre jüngeren Freund: Ich
habe mich seit der Rückkehr von meiner Reise mit einem sehr vermessenen Werk befasst, [einer Arbeit], die den meisten Menschen sehr töricht erscheinen muss. Inzwischen bin ich (ganz im Gegensatz zu meiner ursprünglichen Meinung), beinahe überzeugt davon, dass die Arten nicht (es ist, als gestehe man einen Mord) unveränderlich sind.
    Als gestehe man einen Mord. In seinen Notizbüchern hat er sich an Galilei erinnert, den die Inquisition zwar zum Widerruf zwingen, aber nicht daran hindern konnte, das Himmelsgeschehen seiner obskuren religiösen Deutungen zu entreißen. Nun sieht sich Darwin vor einem vergleichbaren Schritt: Die Entstehung der Arten lässt sich wie das Spiel der Sterne ohne göttliche Eingriffe erklären. Ich glaube, ich habe eine einfache Methode herausgefunden (wenn das keine Anmaßung ist!), durch die sich die Arten vortrefflich verschiedenen Umständen anpassen können. Hooker beißt an: »Ich würde mich freuen zu hören, wie sich diese Veränderung nach Ihrer Auffassung vollzogen haben könnte, da mich keine der gegenwärtig vertretenen Meinungen zu diesem Thema befriedigt.« Der junge Botaniker wird zu Darwins wichtigstem Resonanzboden der kommenden Jahre.
    Nach dem »Geständnis« nimmt sich Darwin seine zwei Jahre alte Skizze vor und erweitert sie zu einem Essay. Er fügt keine wesentlich neuen Ideen hinzu, stellt jedoch klarer als zuvor fest: Um eine neue Art zu bilden, muss eine alte nicht nur in ihrer Organisation plastisch sein - ein höchst moderner Begriff - … vielmehr muss ein Platz in der natürlichen Ökonomie des Lebensbereiches entstehen. Das Neue entsteht nicht »einfach so«, sondern als Anpassung an eine Nische durch neue Modifikationen in seiner Struktur, die besser zu den Umweltbedingungen passt als die anderer Individuen derselben oder anderer Spezies. Neue Arten können sich nur abspalten und auseinanderentwickeln, wenn der Grad ihrer Anpassung es ihnen erlaubt, einen neuen Platz in der Natur zu besetzen.
    Erstmals schreibt Darwin nicht nur für sich, sondern auch für die Nachwelt. Er steckt den Essay zusammen mit einem Brief an Emma in einen Umschlag: Für den Fall meines plötzlichen Todes. Ausgerechnet seine gläubige Frau, die so sehr um das Heil seiner materialistisch vergifteten Seele fürchtet, soll im Notfall das ketzerische Werk zur Veröffentlichung bringen. Wenn meine Theorie richtig ist, was ich

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