Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
wir im Schnitt einmal hundert, maximal hundertzwanzig bis hundertdreißig Jahre alt werden können.
In unserer Langlebigkeit gleichen wir Tieren in Gefangenschaft, die viel länger leben als Artgenossen in freier Wildbahn. Individuelle Unterschiede im Lebensalter sind zudem erblich bedingt. Kinder von Menschen mit längerer Lebenszeit werden im Schnitt auch älter. Bei Fruchtfliegen konnte mit klassischer Züchtung eine Verlängerung der Lebensspanne um dreißig Prozent erreicht werden. Da sich Menschenzucht verbietet, richten sich die Sehnsüchte nach einem höheren Alter (für kommende Generationen) auf Manipulationen der Erbsubstanz. Bei Fruchtfliegen und Fadenwürmern lässt sich die Lebensdauer durch Einbau von Genen in ihre Erbsubstanz vervielfachen. Mehr als zwanzig solcher Erbanlagen sind mittlerweile bekannt. Doch die
Langlebigkeit hat ihren Preis: Die Fruchtbarkeit geht zurück, außerdem kommen »Wildtypen« wie wir offenbar besser mit Umweltstress zurecht.
Als wichtiger Alterungsfaktor hat sich die Stoffwechselaktivität entpuppt. Unabhängig von der genetischen Ausstattung lässt sich das Alter von Labormäusen durch Hungerdiät bis zu fünfzig Prozent steigern. Beim Fadenwurm beeinflusst zumindest eines der künstlich eingebauten Methusalem-Gene die Aufnahme von Blutzucker in die Zellen, sodass die Tiere auf zellulärer Ebene auf eine Art Dauerdiät gesetzt sind. Menschen, die weniger Nahrung zu sich nehmen, werden ebenfalls deutlich älter als solche, die sich immer satt essen.
Als entscheidender Stressfaktor erscheint auch Sexualität. Kastrierte Männer leben im Schnitt vierzehn Jahre länger als nicht kastrierte. Bei kastrierten Katern lässt sich der Effekt durch das Sexualhormon Testosteron wieder aufheben. Selbst der Unterschied in der Lebensspanne zwischen den Geschlechtern könnte mit sexueller Aktivität zusammenhängen. Untersuchungen in Klöstern haben gezeigt, dass Mönche genauso lange leben wie Nonnen, während ansonsten Frauen Männer um etliche Jahre überleben.
Ältere Leute wie die Schmidts führen uns vor Augen, wie dramatisch sich die Verhältnisse innerhalb einer Generation entwickeln können - ohne dass biologische Evolution dabei eine Rolle spielen muss. Neben verbesserter Heilkunst und gesünderer Ernährung hat sich eine simple Regel bewährt: Wer sich bewegt, bleibt beweglich, geistig wie körperlich.
Otti fährt, Alois sitzt hinten und liest die Karte. Wir brachen zum Portillo-Pass auf. Nachdem wir Santiago verlassen hatten, durchquerten wir die weite, verbrannte Ebene, auf der die Stadt steht, und erreichten … den Maypu, einen der Hauptflüsse in Chile. Mit ihren Kindern haben sie, als das Reisen noch ein anderes Abenteuer war als heute, große Teile Südamerikas abgefahren. Nun leben sie als »junge Alte« dank der Pension aus Deutschland in einem der typischen gediegenen Neubautürme Santiagos im 18. Stock mit Panoramablick auf die Anden.
Die Piste wird mit jedem Kilometer abenteuerlicher. Nachdem wir in der letzten Berghütte Lo Valdes, erbaut vom Deutschen Andenverein und auch als »Refugio Alemán« bekannt, ein Sandwich gegessen haben, erreichten wir eine kleine beckenartige Ebene namens Valle de Yeso.
Geologie zum Anfassen. Langsam hebt sich der Schichtkuchen empor und wird von den Flüssen wie von Sägen eingeschnitten. Und am Meeresboden entstehen die nächsten Schichten. Allein in dem Zeitraum von vor zehn bis vor sechs Millionen Jahren haben sich die Anden, wie Wissenschaftler im Juni 2008 berichten, bis zu zweieinhalb Kilometer angehoben.
Eine haarsträubend enge Piste führt steil oberhalb des Yeso-Stausees entlang. Kurz vor den »Termes de Plomo« ist aber auch für den Geländewagen Schluss. Schlaglöcher, Felsen, Schlamm. Die Anden als unüberwindbare Barriere. Als wir … zurückblickten, bot sich uns ein prachtvoller Blick. Die Luft strahlend klar, der Himmel ein intensives Blau, die tiefen Täler, die wilden, zerklüfteten Formen, die Trümmerhaufen, aufgehäuft im Vergehen der Zeit, das buntfarbene Gestein, abgesetzt von den stillen Schneebergen - dies alles erzeugte eine Szene, wie sie sich niemand hätte vorstellen können.
Darwin und seine Begleiter reiten bis ins argentinische Mendoza und kehren dann über den Uspallata-Pass zurück. Dort, einen Andeneinschnitt weiter südlich, versuche ich später noch einmal allein, über den Rand zu schauen. Kurve um Kurve arbeiten sich schwer beladene Lastwagen in die Höhe. Mit jeder Steigung eine neue
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