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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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die Kritiker recht, läge außerhalb biologischer Möglichkeiten. »Die Anzahl potenzieller ›Sackgassen‹ ist so riesengroß«, räumt Conway Morris ein, »dass eigentlich alle Zeit seit Anbeginn des Universums nicht hätte ausreichen dürfen, um unter Abermilliarden potenziellen Lösungen die wenigen zu finden, die tatsächlich funktionieren.«
    Die Bakterien haben weit über eine Milliarde Jahre gehabt, um sich so weit zu entwickeln, dass die Evolution sich über sie erheben und höhere Formen bilden konnte. Im Ergebnis haben sie jede Woche so viele Tippscheine ausgefüllt, dass sie gar nicht verlieren konnten. Der Zufall, der den Zufall überwindet dank der großen Zahl, er bildet die Basis für die Weltformel des Lebens.
    Die Höherentwicklung der Formen auf Basis ihrer Bausteine hat den Bakterien gleichwohl kein Stück ihrer Bedeutung genommen. Bis heute bilden sie gemeinsam den weitaus größten Teil der Biomasse auf
der Erde. Und wenn alles übrige Leben außer ihnen unterginge - sie halten alle Reserven bereit und würden wieder von vorn anfangen. Sagt Conway Morris und zieht damit den Zorn seiner Widersacher auf sich.
    Er behauptet nicht, dass die Evolution noch einmal so verlaufen würde wie gehabt, wenn sie irgendwann irgendwo wieder losbräche, etwa auf einem erdähnlichen Planeten. Aber unter den gleichen Bedingungen in derselben Raumzeit mit denselben Katastrophen wie Kometeneinschlägen würde sie nach seiner Hypothese dieselben möglichen Lösungen verwirklichen und zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen, einschließlich intelligenter, ichbewusster Säugetiere auf zwei Beinen. Wenn wir alle Anfangsbedingungen kennen würden, sagt der Biologe, könnten wir sogar die Richtung vorhersagen, die Entwicklung von Vielzelligkeit ebenso wie den aufrechten Gang. Wenn das stimmte, läge unsere Existenz weit »Jenseits des Zufalls«, so der deutsche Titel seines wichtigen Buches.
    Am Ende seiner schlüssigen Argumentationskette versucht der gläubige Christ die Brücke zur Religion zu schlagen. »Wir Menschen sind ein Produkt der Evolution, aber wir besitzen ein überwältigendes Gefühl für Ziele und Moral. Wie kann das durch einen Prozess entstanden sein, der ohne Sinn ist?« Die - rhetorische - Frage erinnert an den »Punkt Omega«, auf den der französische Jesuit und Paläontologe Teilhard de Chardin in seinen von der Kirche geächteten Schriften das Leben zulaufen sah. Conway Morris nimmt an, dass weitere Forschungen schließlich eine tiefere Struktur der Biologie enthüllen werden, die im Prinzip bis zum Urknall zurückreicht, und in der die Darwin’sche Evolution als zentrale Einheit erhalten bleibt. Und für diese tiefere Struktur hat er auch einen Namen: Gott.
    Sein Buch endet mit den gewichtigen Worten: »Nichts davon setzt die Existenz Gottes voraus oder beweist sie gar, aber zugleich widerlegt es sie auch nicht. Viele werden in all dem weiterhin das zweckfreie Walten des ›blinden Uhrmachers‹ erblicken, andere aber ziehen es vielleicht vor, ihre schwarze Brille abzusetzen und eine Welt jenseits des Zufalls zu entdecken. Die Wahl liegt natürlich bei Ihnen.«
    Freilich zieht Conway Morris mit seinen Spekulationen die Kritik all jener materialistischen Denker auf sich, die sich wie Richard Dawkins zum Atheismus bekennen oder wie Gould und Darwin als
Agnostiker bezeichneten. Er könnte die offene Flanke vermeiden, wenn er, wie von anderen verlangt, Religion und Wissenschaft auseinanderhielte. Alle Vorgänge, die er beschreibt, folgen Naturgesetzen, die ohne äußeren Einfluss wirken.
    Doch genau auf diesen Einfluss wollen die Verfechter eines »Intelligent Design« hinaus. Ihnen genügt nicht, dass ein Weltbegründer allein die Naturgesetze schuf und sie seither »frei« walten lässt - was am Ende auf eine Definition Gottes hinausliefe, die keine Religion benötigte. Conway Morris nimmt ihnen den Wind aus den Segeln, indem er die Naturgesetze über alle Wundertaten erhebt, dem Zufall das Unwahrscheinliche nimmt und ihm damit ein Gesicht gibt. Wenn es ein Wunder gibt, dann nur das eine am Anfang: die Entstehung des Alls und seiner Ordnung.
    Wenn aber die Vergangenheit nicht ganz so zufällig geschehen ist, wie es erscheint, weil der Gang der Weltgeschichte an jedem Punkt nur endlich viele Möglichkeiten hat, wenn sie nur bestimmte Wege einschlagen kann, müsste das dann nicht auch für die Zukunft gelten? Spüren wir, wie Conway Morris meint, in uns einen Sinn, der in Wirklichkeit alles umfasst?

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