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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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passiert in der Evolution auf dem Weg vom Molekül zur Moral. Hat der dichtende Primat einmal »wa« erreicht, lassen wir ihn damit weitermachen, bis er zu »was« und später zu »Wasser« kommt. Schon die Wahrscheinlichkeit, nur dieses eine Wort rein zufällig zu finden, läge bei eins zu über dreihundert Millionen.
    Das zweite oft vorgebrachte Beispiel der Kreationisten kann Conway Morris mit seinem Modell ebenfalls entkräften: Die Entstehung von Leben und Intelligenz durch Darwins Evolution sei so unwahrscheinlich, wie wenn ein Wirbelsturm einen Schrottplatz durcheinanderwirft und dabei ein Jumbojet entsteht. Das Gegenargument ist denkbar einfach: Kein Flugzeug ist wie ein Lottogewinn aus einer Unzahl von Kombinationsversuchen entstanden, auch nicht die kleinste
Lebensform, sondern durch schrittweise Evolution, bei der Schritt für Schritt immer auf dem Vorhandenen aufgebaut wird.
    Die Beschränkungen zeigen sich schon bei den Bausteinen der Eiweiße. Mit nur zwanzig Aminosäuren (plus drei seltenen) hat das Leben seine gesamte Vielfalt verwirklicht. In der Evolution sind auch nur überraschend wenige Grundmotive für aktive Eiweißstrukturen entstanden. Schätzungen nennen Zahlen zwischen hundert und zweihundert, aber keinesfalls mehr. Diese Motive werden dann, wiederum innerhalb fester Rahmen, zu allen denkbaren Varianten abgewandelt - und darauf fußt das gesamte bunte Leben. Wie ein Sinfonieorchester, das aus Varianten weniger Grundtypen besteht und sich dennoch fast jeden gewünschten Klang entlocken lässt. Das Prinzip kann man auf jeder Ebene fortsetzen. Nur bestimmte Zelltypen oder Organe ergeben zusammen ein sinnvolles Ganzes. Nicht das einzelne Element, sondern allein das Zusammenspiel aller entscheidet über Funktion und Wirkung.
    Vereinfacht lässt sich das mit einer alten Manufaktur vergleichen. Das Grundmodell Zange ist in seinen Variationen zwar vielfach einsetzbar. Doch die Zahl der Werkzeugtypen wie Zange, Hammer, Hobel oder Säge bleibt so beschränkt wie die Lösungen zu vorgegebenen Problemen. Sie ragen als taugliche Varianten wie einsame Inseln aus einem Ozean des Untauglichen heraus. Aber nur wenn er alle hat, kann der Schreiner seinen Schrank bauen.
    Zu den schwerwiegendsten Einwänden, denen sich Darwin mit seiner Evolutionstheorie stellen musste, gehört der Zeitfaktor. Gegner seiner Theorie argumentieren bis heute, in den knapp vier Milliarden Jahren hätte die Darwin’sche Evolution nie bis zum Menschen über die Bühne gehen können. Mit seinen Ideen entschärft Conway Morris ihr Argument und kommt ihnen sogar ein Stück weit entgegen. Im Grunde muss man nur ein Element in die Formel einfügen, und die Unwahrscheinlichkeitsrechnungen der Zigeuner am Rande des Universums verlieren viel von ihrem kosmischen Schrecken: das Prinzip der großen Zahl.
    Die wesentlichen Grundmotive an Eiweißstrukturen haben schon Bakterien verwirklicht. Mit ihren gigantischen Populationen und schnellen Vermehrungsraten - bis zu hunderttausend Generationen in einem Jahrzehnt - können sie ungezählte Möglichkeiten in einer Zeit
durchspielen, für die höher entwickelte Lebewesen um Größenordnungen länger brauchen. Die entstandenen Motive haben sich im Verlauf der Evolution auf relativ wenigen möglichen Wegen modifiziert - wie aus dem Wort »Wort« durch Veränderung eines Buchstabens nur wenige sinnvolle deutsche Wörter wie »dort« oder »Wert« entstehen, aber nicht Worf oder Wurt, Wxrt oder Zort.
    Einmal entstanden, haben sich auch die Eiweiße zu größeren Einheiten mit neuen Möglichkeiten zusammengeschlossen, im einfachsten Fall durch Verdopplungen wie »Wortwort«. Die Teile können dann gemeinsam Funktionen erfüllen wie nach einem Buchstabentausch der »Wortwert«. Grundlage dieser Vertauschungen sind im wirklichen Leben Mutationen in Genen, die Neukombinationen spiegeln die Plastizität des Genoms wider. Auch davon wird noch die Rede sein.
    Wenn sich der Grundbaukasten des Lebens schon auf der primitivsten Ebene der Bakterien gebildet hat, schrumpft das Zeitproblem erheblich. In jüngster Zeit entdeckte Gemeinsamkeiten von Schlüsselgenen für die Körperformung zeigen unzweideutig die Verwendung der immergleichen Zentralwerkzeuge bis weit hinunter zu den Wurzeln des Lebensbaums. Im Großen und Ganzen spielen wir auf einer Klaviatur, die uns Mikroben vorgegeben haben. Einen völlig neuen Eiweißstoff aus nur hundert Aminosäuren auf der Ebene höherer Lebewesen zu »erfinden«, da haben

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