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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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Überleben der Spezies lehren kann. Doch selbst wenn sie ohne jeden sofortigen Nutzen bliebe für unsere herrschende, gebrauchs- und marktorientierte Zivilisation - den Erfahrungsschatz dieser Menschenrasse aussterben zu lassen käme auf der biologischen Seite dem Abtöten ganzer Äste der Evolution wie etwa der Wale oder Orchideen gleich.
     
    Darwin erkennt durch seine biologische Brille nicht den wahren kulturellen Reichtum vor sich. Ein paar Wochen später, am King George ’ s Sound nahe der Südwestspitze Australiens, wo heute die Stadt Albany liegt, hat er das Glück, ein » corrobery« zu erleben, also einen großen Tanz. … Die Kakadu- und die King-George-Männer bildeten zwei eigenständige Gruppen und tanzten allgemein in Antwort zueinander. Darwin und seine Gefährten sehen ein äußerst derbes, barbarisches Schauspiel und für unser Empfinden ohne jegliche Bedeutung. Die Art, wie sich alle im Schein des prasselnden Feuers in grausiger Harmonie bewegten, war die vollendete Darstellung einer Festlichkeit unter den niedersten Barbaren.
    Genau hier in Albany, beim kurzen Zwischenhalt an der Westküste, treffe ich mit Vernice Gillies endlich eine »echte« Nachfahrin der Ureinwohner. Die Sozialarbeiterin im Gemeindezentrum hat sichtbar mehr Aborigine-Blut in den Adern als europäisches. Sie hat sich angeboten, mir aus zweiter Hand von den »gestohlenen Kindern« zu berichten. Ihre Mutter wurde mit neun gewaltsam aus der Familie gerissen und in eine Missionsschule gesteckt.
    »Die Jungen wurden zu Landarbeitern, die Mädchen zu Hausangestellten erzogen. Die Ausbildung zielte allein auf Indoktrination. Die Kinder durften ihre Muttersprache nicht sprechen. Sie wurden wie in kultureller Quarantäne gehalten.« Der Corroboree, ihr Tanz, sei als heidnische Praxis verboten worden, der letzte fand 1923 statt. »Es ging darum, die Tradition innerhalb der Familienlinie zu brechen.« Man dürfe ja solche Worte nicht in den Mund nehmen, aber was seien das anderes gewesen als totalitäre Akte hinter den Kulissen einer Zivilgesellschaft? »Sie haben die Kinder gezwungen, jemand anderes zu werden.«
    In den Zeitungen ist während der Debatte um die offizielle Entschuldigung für die »Kulturverbrechen« viel davon die Rede, dass vor
allem aufopferungsvolle Adoptiveltern es mit den Aborigines doch »gut gemeint« und deren Kindern eine zukunftstaugliche Ausbildung gegeben hätten. »Nicht einmal das ist wahr«, sagt Vernice. »Alle Untersuchungen zeigen, dass die zwangserzogenen Kinder später einen weitaus schlechteren sozialen Status hatten als die zu Hause aufgewachsenen.«
    Auch Kindesmissbrauch, eines der häufigsten Verbrechen unter heutigen Ureinwohnern, vor allem in den Ghettos im Nordwesten, sei nie Teil ihrer Kultur gewesen. Vielmehr sei er durch die Eindringlinge in ihre Gemeinschaften gebracht worden, genau wie Alkohol und in dessen Folge die hohe Zahl an Selbstmorden, vor allem von jungen Männern. Ihre Mutter habe alles getan, ihren sechs Kindern die eigenen Erfahrungen zu ersparen und allen eine Ausbildung bis zum Collegeabschluss ermöglicht.
    »Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Aber wir haben das Recht, nach vorn zu schauen.« Während sich andere die Köpfe heißredeten, ob man sich für die Vergehen der Vorfahren entschuldigen müsse, hätten sie eine doppelte Last zu schultern: die eigene Kultur bewahren und dabei in der westlichen Gesellschaft überleben. Deshalb sei das »Sorry« des Premierministers so bedeutsam als Quelle für die wichtigste Kraft im Kampf um den eigenen Weg - den Stolz. Wer das nicht verstehe, sei blind geworden gegenüber der Macht der Symbole.
     
    Ich bin bereits in Mauritius, als die Zeitungen berichten, dass die erste Etappe auf dem neuen Traumpfad beschritten worden ist. Kevin Rudd hat sein Versprechen wahr gemacht und die Entschuldigung der australischen Regierung im Unterhaus zur Abstimmung gestellt.
    »Heute ehren wir die einheimischen Völker dieses Landes, die ältesten fortlebenden Kulturen in der Menschengeschichte. … Wir entschuldigen uns für die Gesetze und die Politik aufeinanderfolgender Parlamente. … Wir entschuldigen uns besonders für die Entfernung von … Kindern aus ihren Familien, ihren Gemeinschaften und ihrem Land. … Heute unternehmen wir den ersten Schritt, indem wir die Vergangenheit anerkennen und Anspruch auf eine Zukunft erheben, die alle Australier einschließt. … Eine Zukunft, in der alle Australier, welchen

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