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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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Dummheit zu sagen. Dann fragt er: »Wenn das alles so stimmt mit der Evolution, bei der sich die Tüchtigsten durchsetzen - warum darf ich dann nicht studieren?«

3
    Salvador de Bahia

    Die Bucht von Allerheiligen · Grundkurs Geologie · Darwins Studienjahre · Zufall und Wahrscheinlichkeit · Darwin und die Sklaverei · Mata Atlantica · Ein seltenes Gras
     
     
    Am ersten Morgen in der Neuen Welt krabbeln Ameisen aus meinem Laptop, schwarz und winzig genug, um hinter einer Stecknadel Platz zu finden. Erst ein paar, dann Hunderte, eine nach der anderen, direkt aus den Tiefen der Tastatur. Wie sie dorthin gekommen sind, was sie dort suchen - keine Ahnung. Vielleicht fressen die Biester inzwischen Bauteile von Prozessoren. Zuzutrauen wäre es ihnen. Neue Nahrungsquelle, neue Nische, neue Form der Spezialisierung - vor allem darum dreht sich dieser brodelnde Kosmos namens Brasilien. Überleben durch Kreativität oder Brutalität, Anpassen oder Verdrängen.
    Unmittelbarer Schaden lässt sich nicht feststellen. Darwins Tagebuch erscheint so auf dem Monitor, wie ich es am Vorabend zurückgelassen habe. Die Zeilen, die ich gefettet habe, ragen nach wie vor aus dem Text: Ich glaube, nach allem was ich gesehen habe, notiert er am Tag nach seiner Ankunft in Bahia, dem heutigen Salvador, dass Humboldts grandiose Beschreibungen unerreichbar sind und für immer bleiben werden: aber sogar er mit seinen dunkelblauen Himmeln und der außergewöhnlichen Verbindung von Dichtung und Wissenschaft … wird der Wahrheit nicht gerecht. … Der Verstand ist ein Chaos des Entzückens, aus dem eine Welt kommender, ruhigerer Genüsse hervorgehen wird.
    Auch nur ein wenig von dieser Begeisterung zu teilen und mit demselben unverdorbenen Blick das Neue auf mich wirken zu lassen, unter anderem darum bin ich hier. Brasilien! Schon so viel gelesen, gehört, gesehen, geträumt - plötzlich beginnen die Bilder zu leben. Sinnesüberfluss auf allen Kanälen, Formen, Lichter, Hautfarben, Düfte, Stimmen, Augen, Gesänge, Schreie, Sehnsüchte, Rituale, Kämpfe.
Salvador, eine der größten Städte dieses gigantischen Landes, liegt nur ein paar Flugstunden von den Kapverden entfernt. Doch abgesehen von den fast gleichen, dem Portugiesischen nahe verwandten Sprachen scheint es nur wenig innere Verbindung zwischen beiden Ländern zu geben.
    Aus meinem Zimmer in der Altstadt kann ich den Hafen und die Allerheiligen-Bucht übersehen. Die älteste von Europäern gegründete Stadt Brasiliens liegt auf der Spitze einer Halbinsel an der Atlantikküste. Das verschafft den hierzulande seltenen Genuss, die Sonne nicht über Land, sondern im Wasser versinken zu sehen. Die Bucht ist mit großen Schiffen übersät , notiert Darwin, als die Beagle in den Vormittagsstunden des 28. Februar 1832 in Bahia vor Anker geht. 175 Jahre später sieht es nicht anders aus. Alle ankernden Wasserfahrzeuge zeigen sich der Stadt von ihrer Längsseite. Beleuchtete Containerschiffe, Frachter, Tanker, Schlepper. Nur das tuckernde Kleinzeug kreuzt und quert.
    Über der nervösen Gischt hat sich der Himmel verfinstert. Ehrlicher kann sich ein Unwetter nicht ankündigen. Es dauert nur wenige Minuten, bis ein tropischer Wolkenbruch das Versprechen der Wolken einlöst. Die Ameisen verschwinden in der Wandverkleidung. Beim Frühstück sind sie wieder da. Oder vielmehr ihre Vettern, die sich noch mit Toastkrümeln statt mit Laptop-Innereien begnügen.
    Darwin bewundert die Gewalt des Regens. Selbst Briten können in den Tropen lernen, das Wort »rain« noch einmal neu zu buchstabieren. Wohlerzogen registriert er die elegante Erscheinung der Häuser, doch deren Schönheit ist nichts, verglichen mit der Vegetation. Orte sind Orte, einer wie der andere, nur ihre Gesichter unterscheiden sich. Ganz anders die Wälder. Sie haben eigene Seelen.
    Entzücken allein ist indes ein schwacher Begriff, um die Empfindungen eines Naturforschers auszudrücken, der zum ersten Mal allein durch einen brasilianischen Wald gewandert ist. Grün und finster dampfend steht Darwins Dorado vor ihm, wie es sein Held Humboldt nicht tiefer in seine Traumwelt hätte pflanzen können. Im Augenblick bin ich nur imstande, Humboldt zu lesen; wie eine zweite Sonne erleuchtet er alles, was mir etwas bedeutet. Von den Schilderungen des Deutschen wie verzaubert, notiert er: Einem, der die Naturgeschichte liebt, verschafft ein solcher Tag eine tiefere Freude, als er jemals wieder zu erfahren hoffen kann.

    Neben Begeisterung

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