Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
bedarf es verantwortungsvoller Wissenschaftler und ethischer Kontrollinstanzen. Sture Verweigerung hilft mit Sicherheit nicht weiter. Mit der antidarwinistischen Ablehnungshaltung wären auch die ersten, Faustkeile produzierenden Hominiden zu verdammen, die mit ihrer Erfindung letztlich den Grundstein für potenziellen Waffenmissbrauch gelegt haben.
Die Kritiker sollten erkennen, dass derart verwerfliche Charaktere, wie sie fehlentwickelte Teile der Spezies Homo sapiens repräsentieren, keine Vorzeigebilder einer Evolution im Sinne Darwins, sondern einzigartige Entgleisungen sind, die aber beweisen, dass Evolution nichts mit Perfektionismus zu tun hat. Anthropogene Kriegsszenarien haben rein gar nichts mit dem gemein, was sich in biologischen Nahrungsketten abspielt. Tötung durch ein Raubtier ist stets instinktgesteuerte, bedarfsangepasste Nahrungsbeschaffung. Sie zielt weder auf Überfluss ab, noch ist sie von Raffgier und Mordlust geprägt. Allein auf persönlichen Macht- und materiellen Zugewinn ausgerichtete humane Lebensstrategien sind womöglich Folgen einer Fehlentwicklung (über) spezialisierter Gehirne, die bislang – wenn auch sehr verlustreich – durch parallele Entwicklung effizienter sozialer Verhaltensweisen in Schach gehalten werden konnten. Wohin das auf lange Zeit für die Menschheit selbst führen wird, ist nicht vorhersagbar. Wir sehen uns gern dem Optimum evolutionärer Möglichkeiten recht nahe (als Krone der Schöpfung in der Sprache der Bibel) und deformieren die Evolution dadurch zu einem teleologisch auf intellektuelle „Megapotenz“ hinarbeitenden Prozess. Möglicherweise wird uns diese Fehleinschätzung zum Verhängnis. Für das irdische Leben insgesamt ist aber nicht zu befürchten, dass ihm ein humanogener Super-Gau den Garaus macht. Über Jahrmilliarden hat die Evolution immer wieder Lebensformen hervorgebracht, die selbst aus den drastischsten Naturkatastrophen als Sieger hervorgegangen sind und anschließend mit einer evolutionären Erfolgsgeschichte aufwarten konnten. Dass dies auch ohne ein nur nach der „Hauen-und-Stechen-Methode“ arbeitendes Überlebensprinzip funktioniert, macht die Beobachtung von Flora und Fauna mehr als deutlich. (Menschliche) Egomanie ist sicher auch ein Produkt der Evolution, aber eines, das sich nie gegen die Vorzüge sozialen Verhaltens durchsetzen konnte und dies auf lange Sicht auch nicht tun wird. Sollte der Mensch es übertreiben und durch sein Handeln das Fass zum Überlaufen bringen, wird die Selektion erbarmungslos sein Ende einläuten – nicht aber das des Lebens auf unserem Planeten. Möglicherweise wird sich unser Ast auf dem Stammbaum als Sackgasse erweisen. Aber Millionen anderer Wege werden offen bleiben.
Dass jede erfolgreiche Lebensstrategie auch ein gewisses Quantum an Egoismus erfordert, steht außer Frage. Anders wäre die eigene Versorgung mit allem Lebenswichtigen kaum zu bewerkstelligen. Ein übertriebener Altruismus, bei dem das „seligere Geben“ zu stark über das eigennützige „Nehmen“ dominiert, ist dem Fitnesslevel im Lebenskampf kaum zuträglich. Aber dass Darwin eine Ideologie verkündet habe, die der rücksichtslos gewalttätigen Egomanie den Status des Erfolgsgaranten Nr. 1 verleiht, ist eine bösartige Unterstellung, die mit den zentralen Prinzipien des Abstammungsmodells nichts gemein hat.
In der Natur spielen Harmonie und soziales Verhalten eine ganz entscheidende Rolle. In diesem Punkt sind sich Darwinisten und ihre Kritiker sogar völlig einig. Warum die Abstammungsleugner allerdings behaupten, das „survival of the fittest“-Prinzip ließe keinen Raum für friedliche Koexistenz, Kooperation und Schönheit, sondern erhebe das Rauben und Morden zur einzig Erfolg versprechenden Überlebensstrategie, ist nicht nachvollziehbar. Hier wird der Überlebenskampf im Darwin’schen Sinne völlig fehlinterpretiert. Der „struggle for life“ ist kein rücksichtsloses Gemetzel, bei dem jeder sich von Feinden umgeben fühlt, auf die es gnadenlos einzuschlagen gilt. Ganz im Gegenteil, wer sich so verhält, ist chancenlos. Eine „Rambomentalität“ zerstört einzig Ressourcen, erhält in der selektiven Bewertung einen dicken Malus-Stempel und ist suizidal. Angepasst sein, wie Darwin es beschrieb und wie wir es mit heutigem Wissen verstehen, ist aus der Sicht jedes Individuums ein passiver Prozess. Seine persönliche GenAusstattung bestimmt den Fittnessstand und erhält auf dem Selektionsbarometer einen Wert, der
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