Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
Satz an DNA-Material in ihrem Kern, eben jene gut zwei Meter einer charakteristischen Abfolge von vier verschiedenen Bausteinen.
Wie kann das sein? Genregulation lautet die Lösung und das Rätsel zugleich. Wenn alle Zellen trotz identischen Genbestandes sowohl im Erscheinungsbild als auch in ihrer Funktion teils extreme Unterschiede aufweisen, lässt sich daraus folgern, dass in verschiedenen Zelltypen unterschiedliche Gene aktiv sind. Die Regulation der Genaktivitäten muss demnach einer übergeordneten Steuerung unterliegen. Das „Prinzip Genregulation“ ist wohl das bedeutendste für das Phänomen Leben und seine Formenvielfalt überhaupt. Und wenn es dem Menschen jemals gelingt, gänzlich das Geheimnis zu lüften, wie und wann Gene an- oder abgestellt werden, hätte dies kaum auszumalende Konsequenzen. Ein manipulatorisches Potenzial würde sich eröffnen, das dem Autor dieses Buches wenig wünschenswert erscheint. Während der letzten zehn Jahre molekularbiologischer Forschung sind zwar erhebliche Fortschritte bei der Aufdeckung einzelner DNA-Regulationsmechanismen gemacht worden – die medizinische Gentherapie sei hier stellvertretend genannt. Von einem Gesamtverständnis ist man jedoch noch meilenweit entfernt, und wird es vermutlich noch lange (vielleicht für immer) bleiben. Hinsichtlich der erwähnten Missbrauchsgefahren – und dazu sollte man unbedingt auch das moderne Frankensteinszenario, die genetische Konstruktion des „Supermenschen“ zählen – ist ein solcher Forschungserfolg kein erstrebenswertes Ziel. Der zu erwartende medizinische Benefit wird diese Negativerscheinungen kaum zu kompensieren in der Lage sein. Letztlich wird sich die Natur erfolgreich jedem anthropozentrischen Manipulationsversuch widersetzen. Hier sollten wir unsere Grenzen rechtzeitig erkennen.
Mittlerweile hat sich mit der sogenannten Epigenetik („Übergenetik“) ein Teilgebiet der Vererbungslehre etabliert, die gezielt solche übergeordneten regulatorischen Mechanismen erforscht, die die Aktivität von Genen steuern. Der Hamburger Biologe und Wissenschaftsjournalist Dr. Peter Spork ist einer der führenden Epigenetik-Experten. Mit seinem Buch „
Der zweite Code
“ liefert er eine hervorragende Einführung in die hochaktuelle epigenetische Forschung und das darin steckende Potenzial. Demnach verfügt jeder Organismus neben der Gesamtheit seiner Gene, dem unabänderlich in der Bausteinsequenz der DNA festgeschriebenen Genom , über einen zweiten, flexiblen epigenetischen Code, das Epigenom . Dies ist quasi eine durch die individuelle Lebensführung beeinflussbare und weitervererbte DNA-Modifizierungsmaschinerie, welche die Aktivität unserer Gene steuert und dabei nicht nur das eigene Leben in bestimmte Bahnen lenkt, sondern auch auf die Entwicklung der eigenen Kinder und Kindeskinder bereits während der Embryonalentwicklung Einfluss nimmt. Ob wir rauchen, Alkohol trinken, wie wir uns ernähren, ob wir Stress haben, uns genug bewegen, ist damit nicht nur für den eigenen Lebensweg von Bedeutung, sondern stellt auch die Weichen für das Wohlergehen oder auch großes Leid unseres Nachwuchses. Daraus erwächst eine völlig neue Verantwortlichkeit, der sich jeder, der Kinder in die Welt setzen möchte, stellen muss. Der gedankenlose Konsum von zu „Genussmitteln“ euphemisierter Zellgiften (Nikotin, Alkohol etc.) ist damit keine Privatsache werdender Eltern mehr.
Dieser noch junge Wissenschaftszweig der Epigenetik entwickelt sich mehr und mehr zum Zentrum der Molekularbiologie und hat bereits einige höchst bedeutsame Erkenntnisse zutage gebracht. Entscheidend ist, dass die Bausteinabfolge der Gene bei Weitem nicht der einzige, die Merkmalsausprägung festlegende Faktor ist. Vielmehr bestimmen die Lebensumstände, was aus der vorhandenen genetischen Information gemacht wird. Somit ist kein Organismus seinen Genen völlig machtlos „ausgeliefert“. Aus identischen Genen lässt sich sehr Variables herausholen. Den zugrunde liegenden molekularen Mechanismen sind die Epigenetiker bereits auf der Spur. Sie haben herausgefunden, dass es bestimmte chemische Anhängsel gibt, die in Abhängigkeit äußerer Einflüsse sowohl an bestimmte DNA-Sequenzen, als auch an Verpackungsproteine der Chromosomen – die sogenannten Histone – gebunden werden. Renato Paro von der ETH Zürich, einer der führenden Epigentiker weltweit, bezeichnet diese Anhängsel als „Flaggen“, da sie wie im Wind wehende Fahnen aus der DNA
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