Darwin und die Götter der Scheibenwelt
keine Gefühle«, sagte der Revisor. »Das ist eine menschliche Verirrung. In dir entdecken wir die physische Manifestation, die wir als Furcht erkennen.«
»Ihr könnt nicht einfach Leute umbringen«, gab Rincewind zu bedenken. »Das ist gegen die Regeln .«
»Wir glauben, dass es hier keine Regeln gibt«, erwiderte der Revisor und kam näher.
»Warte, warte, warte!« Rincewind versuchte, in harten Fels zurückzuweichen. »Du sagst, dass du gar nicht weißt , was Furcht ist, stimmt’s?«
»Entsprechende Kenntnisse sind nicht erforderlich«, erklärte der Revisor. »Bereite dich auf das Ende von kohärenter Funktion vor.«
»Dreh dich um«, verlangte Rincewind.
Eine Schwäche der Revisoren besteht darin, dass es ihnen schwer fällt, einem direkten Befehl nicht zu gehorchen, zumindest für ein oder zwei Sekunden. Die dunkle Kutte drehte sich. Besser gesagt, sie schwebte durch sich selbst, um in die andere Richtung zu zeigen.
Der Deckel der Truhe schloss sich mit einem »Klopp!«, wie das Geräusch einer Forelle, die eine unvorsichtige Fliege erwischt.
Vielleicht findet der Revisor jetzt heraus, was es mit Furcht auf sich hat, dachte Rincewind.
Weitere graue Kutten kamen aus dem Nichts.
Jetzt war Loslaufen angesagt.
ACHTZEHN
Dampfmaschinenzeit
Da war Darwin, wie er an einem Ufer saß, die Bienen, die Wespen, die Blumen beobachtete … Im letzten Absatz der Entstehung finden wir eine schöne und wichtige Passage, die auf solcherart Nachmittage hindeutet:
Wie anziehend ist es, ein von Pflanzen überwuchertes Ufer zu betrachten, mit singenden Vögeln in den Büschen, mit zahlreichen Insekten, die durch die Luft schwirren, mit Würmern, die über den feuchten Erdboden kriechen, und sich dabei zu überlegen, dass alle diese so kunstvoll gebauten, so sehr verschiedenen und doch in so verzwickter Weise voneinander abhängigen Geschöpfe durch Gesetze erzeugt worden sind, die noch rings um uns wirken.
Nur zu, Paley, so gefällt’s mir!
Alle Bemühungen der Zauberer, ihn Die Entstehung schreiben zu lassen, nicht Die Theologie . Natürlich war das für Darwin wichtig, und es ist wichtig für diejenigen, die den Lauf der Geschichte festhalten. Aber so wie wir fragen können, ob die Ermordung Lincolns wirklich großen Einfluss auf die nachfolgenden Ereignisse hatte, können wir dieselbe Frage in Bezug auf Darwins Lebenswerk stellen. Hätte es wirklich etwas ausgemacht, wenn die Zauberer es nicht geschafft hätten?
Metaphorische Zauberer, wohlgemerkt. Ja, die glücklichen Zufälle, die Charles an Bord der Beagle brachten und ihn dort bleiben ließen, sehen wirklich ein bisschen verdächtig aus, aber Zauberer ?
Stellen wir die Frage auf respektablere Art: Wie radikal war Darwins Theorie der natürlichen Auslese wirklich? Verfügte er über Erkenntnisse, die vor ihm noch niemand in Betracht gezogen hatte? Oder war er einfach derjenige, der in der Öffentlichkeit mit einer Idee auffiel, die seit einiger Zeit in der Luft lag? Wie viel Ehre der Urheberschaft steht ihm zu?
Dasselbe wäre in Bezug auf viele ›revolutionäre‹ wissenschaftliche Konzepte zu fragen (und ist gefragt worden). Robert Hooke ist vor Newton auf die Idee eines reziprok quadratischen Gesetzes für die Gravitation gekommen. Minkowski, Poincaré und andere haben einen großen Teil der Speziellen Relativitätstheorie vor Einstein ausgearbeitet. Fraktale gab es in der einen oder anderen Form mindestens ein Jahrhundert, bevor Benoît Mandelbrot sie energisch propagierte und daraus ein bedeutender Zweig der angewandten Mathematik wurde. Die erste Andeutung der Chaostheorie findet sich in Poincarés preisgekrönter Arbeit über die Stabilität des Sonnensystems von 1890 – an die 75 Jahre, ehe man den Eindruck hatte, das Thema komme ›in Fahrt‹.
Wie beginnen wissenschaftliche Revolutionen, und was entscheidet darüber, wem die Urheberschaft zuerkannt wird? Ist es Talent? Ein Gespür für Publicity? Eine Lotterie?
Einen Teil der Antwort auf diese Fragen findet man in Robert Thurstons 1878 veröffentlichter Studie zu einer anderen bedeutenden viktorianischen Neuerung, auf die Ponder Stibbons unfehlbar in Kapitel 3 kam. Das Buch heißt Die Dampfmaschine: Geschichte ihrer Entwicklung . Der zweite Absatz lautet:
Die Geschichte illustriert eine sehr wichtige Wahrheit: Erfindungen sind niemals und große Entdeckungen selten das Werk eines einzigen Denkers. Jede große Erfindung ist in Wahrheit entweder eine Anhäufung kleinerer Erfindungen oder der
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