Darwin und die Götter der Scheibenwelt
auf diesem Gebiet, oft gestellt und größtenteils ignoriert, lautete schon immer: Wenn Intronen (die fast ein Zwanzigstel eines typischen proteincodierenden Gens ausmachen) keine biologische Funktion haben, warum gibt es sie dann? Man kann sie leicht als Überbleibsel einer grauen Evolutionsvergangenheit abtun, die nicht mehr nützlich sind und herumliegen, weil die natürliche Auslese nichts Harmloses aussondert. Selbst dann können wir uns noch fragen, ob die Intronen nicht vorhanden sind, weil sie doch eine nützliche Funktion besitzen, die wir nur noch nicht erkannt haben. Und es sieht allmählich danach aus, dass dies der Fall sein kann.
Zunächst einmal sind Intronen nicht gar so alt. Es hat jetzt den Anschein, dass sie erst vor relativ kurzer Zeit in das menschliche Genom eingefügt worden sind. Sie hängen wahrscheinlich mit mobilen genetischen Elementen zusammen, die als Intronen der Gruppe II bekannt sind, eine ›parasitische‹ Form von DNS, die in Wirtsgenome eindringen und sich dann selbst entfernen kann, wenn die DNS in RNS umgesetzt wird. Zudem scheinen sie jetzt eine Rolle als ›Signale‹ bei der Regelung genetischer Prozesse zu spielen. Ein Intron mag relativ kurz sein, verglichen mit den langen proteincodierenden Sequenzen, die entstehen, wenn die Intronen herausgeschnitten werden; aber ein kurzes Signal hat Vorteile und kann eine Menge bewirken. Es läuft darauf hinaus, dass die Intronen vielleicht genetische SIMs auf dem Handy des Lebens sind. Kurz, billig und sehr wirksam. Ein auf RNS beruhender ›Code‹, der parallel zur Doppelhelix der DNS läuft, kann die Aktivität der Zelle sehr direkt beeinflussen. Eine RNS-Sequenz kann als sehr spezifisches, wohl definiertes Signal fungieren, welches RNS-Moleküle an ihre Ziele bei einer RNS oder DNS dirigiert.
Die Belege für das Vorhandensein eines solchen Signalsystems sind plausibel, aber noch nicht unwiderleglich. Wenn tatsächlich solch ein System existiert, verfügt es zweifellos über das Potenzial, viele biologische Geheimnisse zu lösen. Ein großes Rätsel beim menschlichen Genom besteht darin, dass seine 34 000 Gene es fertig bringen, den Code für über 100 000 Proteine zu liefern. ›Ein Gen, ein Protein‹ funktioniert offensichtlich nicht. Ein verstecktes RNS-Signalsystem könnte ein Gen veranlassen, mehrere Proteine zu erzeugen, je nachdem wie das begleitende RNS-Signal es festlegt. Ein anderes Rätsel ist die Komplexität der Eukaryoten, insbesondere die kambrische Explosion von vor 525 Millionen Jahren, als die Körperbaupläne der irdischen Lebewesen plötzlich eine nie da gewesene Vielfalt erreichten, sogar eine größere Vielfalt als heute. Vielleicht hat das hypothetische RNS-Signalsystem damals zu wirken begonnen. Und es ist weithin bekannt, dass das menschliche Genom und das der Schimpansen einander erstaunlich ähnlich sind (obwohl die Übereinstimmung nicht, wie vor ein paar Jahren allgemein zitiert, 98 % zu betragen scheint). Wenn unsere RNS-Signale sich wesentlich unterscheiden, so wäre das eine mögliche Erklärung, wieso Menschen alles in allem Schimpansen nicht sehr ähneln.
Jedenfalls sieht es ganz danach aus, dass die ›Müll-DNS‹ in unserem Genom überhaupt kein Müll ist. Im Gegenteil, sie könnte entscheidend dazu betragen, uns zu Menschen zu machen.
Diese Lehre wird von jenen Geschäftspartnern der Schlupfwespen bekräftigt, den symbiotischen Polydnaviren, die in der DNS der Wespen verborgen sind. Darin liegt eine Aussage über die menschliche Evolution, und zwar eine sehr seltsame.
Die Ermittlung von Genomsequenzen mag als das Allheilmittel gegen menschliche Krankheiten überbewertet sein, aber es ist sehr gute Grundlagenforschung. Die Tätigkeit der Sequenzermittler hat gezeigt, dass die Wespen nicht die einzigen Organismen sind, in deren Genomen sich Stücke von Viren-DNS herumtreiben. Die meisten Lebewesen haben so etwas, einschließlich der Menschen. Das menschliche Genom enthält ein komplettes Viren-Genom, und nur dieses eine, ERV-3 ( E ndogenes R etro v irus) genannt. Das mag als evolutionäre Absonderlichkeit erscheinen, ein Stückchen ›Müll-DNS‹, das wirklich Müll ist – aber in Wahrheit gäbe es uns ohne dieses Stückchen alle nicht. Es spielt eine absolut unerlässliche Rolle, wenn verhindert werden soll, dass der Fötus von der Mutter abgestoßen wird. Das Immunsystem der Mutter ›müsste‹ das Gewebe des heranwachsenden Kindes als ›fremd‹ erkennen und Aktionen auslösen, um es
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