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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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zusammen mit der jungen Frau, die Tom Compton mit ins Haus gebracht hatte. So ungerne Guilford über seine Vergangenheit sprach, wusste Abby doch von seiner Tochter, die er vor fünfundzwanzig Jahren in London zurückgelassen hatte. Abby erkannte sie, noch ehe Guilford sagte: »Das ist Lily.« Ja, es war nicht zu übersehen. Lily hatte die Law-Augen, wintermorgenblau, und dieselben steilen Fältchen zwischen den Brauen.
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Abby und wusste sofort, wie sich das anhören musste. »Ich meine, ich wünschte… nicht unter diesen Umständen.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Lily ernst. »Danke, Mrs. Law.«
    Und Abby dachte: Was weißt du über die Alten Männer? Wer hat dich in ihre Geheimnisse eingeweiht? Wie viel weiß Guilford? Wer lauert da draußen in der Finsternis und will meinen Mann, mein Kind töten?
    Jetzt war nicht die Zeit dazu. Solche Dinge waren Luxus geworden: Angst, Zorn, Grübelei und Kummer.
     

     
    Guilford deckte Nicholas zu. Der Junge besah sich das Gesicht seines Vaters.
    Im Kerzenlicht sah alles so fremd aus. Das Haus schien größer – leerer –, als hätte es sich da, wo es dunkel war, ausgedehnt. Türen und Fenster waren verriegelt. Nick spürte, dass sie in Gefahr waren. »Banditen«, hatte er Tom Compton sagen hören. Was Nick an die Filme denken ließ. Landbesetzer, Wollschlangendiebe, stämmige Burschen mit dunklen Augenringen. Killertypen.
    »Schlaf, wenn du kannst«, sagte sein Vater. »Morgen früh kommt alles wieder in Ordnung.«
    Der Schlaf lag in weiter Ferne. Nick blickte in das Gesicht seines Vaters und hatte plötzlich das Gefühl, ihn zu verlieren. Es war wie ein Dolchstoß.
    »Gute Nacht, Nick«, sagte sein Vater und strich ihm übers Haar.
    Für Nicholas klang es wie »Lebewohl«.
     

     
    Lily übernahm die Küche.
    Das Haus hatte zwei Zugänge, die Haustür im Wohnzimmer und den Hintereingang in der Küche. Die Küche war sicherer, es gab nur ein einziges, kleines Fenster und die Tür war schmal. Die Tür war verriegelt. Das Fenster war auch verriegelt, doch Lily war klar, dass weder Tür noch Fenster einem wild entschlossenen Feind standhalten würden.
    Sie saß auf einem Holzstuhl, Guilfords alte Remington quer über dem Schoß. Weil der Raum dunkel war, hatte Lily den Rolladen einen Spaltweit aufgezogen und war mit dem Stuhl näher ans Fenster gerückt. Die Nacht war mondlos, nur ein paar helle Sterne standen am Himmel, aber da waren die Lichter der Frachtschiffe, die in der Bucht lagen, ein Sternbild von Menschenhand.
    Das Gewehr war beruhigend. Auch wenn sie noch nie etwas Größeres als ein Kaninchen geschossen hatte.
    Willkommen in Fayetteville, dachte Lily. Willkommen in Darwinia.
    Ihr ganzes Leben lang hatte Lily über Darwinia gelesen und von Darwinia geredet – von Darwinia geträumt bei Nacht und bei Tag – zum Leidwesen ihrer Mutter. Sie fand ihn faszinierend, den Kontinent. Von Kindesbeinen an hatte sie sein Geheimnis ergründen wollen. Und hier war sie nun: allein im Dunkel, um sich gegen Dämonen zu verteidigen.
    Weißt du überhaupt, worauf du dich da einlässt, Mädchen?
    Sie wusste praktisch alles, was die Naturwissenschaft über Darwinia herausgefunden hatte, und das war ziemlich wenig. Eine Fülle von Einzelheiten freilich und auch ein bisschen Theorie. Doch die große, zentrale Frage, das schlichte, menschliche, brennende Warum, war bisher unbeantwortet geblieben. Interessant allerdings, dass zumindest noch ein anderer Planet des Sonnensystems von diesem Phänomen betroffen schien. Sowohl das Royal Observatory in Capetown als auch das National in Bloemfontein hatten Photographien des Mars veröffentlicht, auf denen jahreszeitliche Veränderungen und Hinweise auf große Wassermassen zu sehen waren. Eine neue Welt am Himmel, ein Darwinia von planetarem Ausmaß.
    Die Briefe ihres Vaters hatten Licht in das Dunkel gebracht, obwohl er selbst kaum durchzublicken schien. Guilford und Tom und alle die Alten Männer hatten getan, was Guilfords Freund Sullivan nicht gekonnt hatte: nämlich das Wunder in profanen Kategorien zu erklären. Es war eine exotische Hypothese, sicher, und ihr fiel kein Experiment ein, das sie hätte erhärten können. Aber diese ganze abwegige Theographie mit ihren Archiven und Engeln und Dämonen war an so vielen Orten entstanden und stimmte in so vielen Details überein, dass sie nur auf Tatsachen beruhen konnte.
    Anfangs war sie skeptisch gewesen – hatte Guilfords Notizen und

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