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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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Das Haus stank nach Schießpulver und Rauch und Männerschweiß und Schlimmerem.
    Hinunter ins Wohnzimmer, wo der Grenzer jählings in dem gewölbten Durchgang stehenblieb und sagte: »Oh, Jesus!«
    Jemand war durch die Hintertür gekommen.
    Ein dicker Mann in der grauen Uniform der Bezirkspolizei.
    »Sheriff Carlyle«, sagte Guilford. Er war offenbar verwundet und benommen, hatte es aber fertiggebracht aufzustehen. Eine Hand umklammerte den blutigen Oberschenkel. Die andere streckte er flehentlich aus. Die Pistole hatte er fallenlassen…
    Am blutgetränkten Sofa.
    »Hier sind Schwerverletzte«, klagte Guilford. »Sie müssen mir helfen, sie in die Stadt zu bringen. Ins Krankenhaus.«
    Doch der Sheriff lächelte nur und hob seine Pistole.
    Sheriff Carlyle: einer von diesen Teufeln.
    Lily mühte sich, ihre Flinte in Anschlag zu bringen. Ihr Herz hämmerte, doch ihr Blut hatte sich in Eisschmelze verwandelt.
    Der Sheriff feuerte zweimal, ehe Tom einen Schuss abgeben konnte, der den anderen zur Wand herumriss.
    Der Grenzer trat dicht an den gestürzten Sheriff heran. Er pumpte ihm aus nächster Nähe drei Kugeln in den Schädel, bis er so rot und formlos war wie Colin Watsons Kaninchen.
    Guilford lag am Boden, Blut sprudelte aus einer Brustwunde.
    Abby und Nicholas lagen hinter der unnützen Festung des Sofas, unsäglich tot.

 
Zwischenspiel
     
     
     
    Guilford erwachte im Schatten der Ulme, im hohen Gras, inmitten falscher, gletscherblauer Anemonen. Eine sanfte Brise kühlte die Haut. Diffuses Tageslicht ließ alle Dinge gleichermaßen deutlich erscheinen, als sei die Wahrnehmung von allen Makeln befreit.
    Doch der Himmel war schwarz und voller Sterne. Das war seltsam.
    Er drehte den Kopf und sah ein paar Schritte entfernt den Wachsoldaten stehen. Den Schatten seines Ichs. Seinen Geist.
    Eigentlich hätte er Angst haben müssen. Aber er hatte keine. Auch das war seltsam.
    »Du«, brachte er heraus.
    Der Wachsoldat – immer noch jung, immer noch in der zerlumpten Uniform – lächelte mitfühlend. »Hallo, Guilford.«
    »Hallo.«
    Er setzte sich auf. In einem Winkel seines Verstandes nagte das unbestimmte Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, ganz und gar falsch war, auf tragische Weise falsch. Doch sein Gedächtnis stellte sich taub. »Ich glaube«, sagte er langsam, »ich bin…«
    »Ja. Aber das spielt im Moment keine Rolle.«
    Dieser Himmel, ein Himmel voller Sterne, die armweit entfernt waren und knisterten wie elektrische Funken, er gab ihm auch zu denken. »Warum bin ich hier?«
    »Um zu reden.«
    »Und wenn ich nicht will?«
    »Du kannst dir ja die Ohren zuhalten und einen Dixie trällern… Ich würde mir anhören, was ich zu sagen habe.«
    »Aus dir sprudelt nichts Erquickliches.«
    »Lass uns ein Stück gehen, Guilford.«
    »Du gehst zu viel.«
    »Beim Gehen denkt sich’s besser«, sagte der Wachsoldat.
     

     
    Damals im ausgebrannten London, vor einem Vierteljahrhundert, da hatte ihn schon einmal eine so unnatürliche Ruhe beherrscht. Er hätte entsetzt sein müssen: Alles war falsch… schlimmer als falsch, ließ sein Gedächtnis durchblicken. Konnte es sein, dass der Wachsoldat eine emotionale Amnesie über ihn verhängt hatte? Um seine Panik zu ersticken?
    Panik wäre befreiend gewesen. Weil sie angebracht war?
    »Hier entlang«, sagte der Wachsoldat.
    Sie gingen den Pfad hinter dem Haus hinauf, zwischen Gestrüpp und windschiefen Bäumen. Guilford sah sich nach seinem Haus um, das klein und verloren auf der grasbewachsenen Landspitze stand, sah das Meer dahinter, glasflach, ein Spiegelbild des Himmels.
    »Bin ich tot?«
    »Jein«, sagte der Wachsoldat.
    »Geht es ein bisschen klarer?«
    »Es kann so oder anders kommen.«
    Trotz der unirdischen Ruhe streifte ihn ein Hauch des Grauens. »Und wovon soll das abhängen?«
    »Schicksal. Ratschluss. Von dir.«
    »Ist das ein Rätsel?«
    »Nein. Nur schwer zu erklären.«
    Es ging pausenlos bergan. Normalerweise wäre Guilford längst außer Atem gewesen, doch seine Lunge funktionierte besser als sonst – oder die Luft war hier dichter – oder er war so unanfechtbar wie eine Traumfigur. Bald erreichten sie den höchsten Punkt des Hügels. Der Wachsoldat sagte: »Setzen wir uns.«
    Sie ließen sich unter einem Moscheebaum nieder, den Rücken an den Stamm gelehnt, so wie Guilford und Nick in manchen Sommernächten dagesessen und die Sterne betrachtet hatten. Die Sterne im Meer und die Sterne am Himmel. Unvorstellbar viele Sterne. Man konnte sie

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