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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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Briefe als die Wahnvorstellungen eines halb verhungerten Überlebenden abgetan. Jeffersonville hatte ihre Meinung geändert. Tom Compton hatte ihre Meinung geändert. Die Alten Männer hatten sie ins Vertrauen gezogen, und das hatte nicht bloß Lilys Meinung geändert, es hatte sie auch davon überzeugt, dass es sinnlos war, darüber zu schreiben. Man würde es nicht zulassen und selbst wenn es ihr gelang, man würde ihr nicht glauben. Weil da natürlich gar keine Ruinenstadt in den Alpen war. Diese Stadt war nirgends verzeichnet, nie photographiert oder überflogen oder von weitem gesichtet worden – nur die verschollene Finch-Expedition wollte mitten in dieser Stadt gewesen sein. Die Dämonen, meinte Tom, hätten sie vernäht – wie man einen zerrissenen Ärmel näht. Sie verstünden sich auf so was.
    Doch die Stadt war noch immer da, auf irgendeine vage, unstoffliche Weise.
    Lily hielt sich wach, indem sie sich diese Stadt tief im darwinischen Hinterland ausmalte: den uralten, seelenlosen Nabel der Welt. Die Achse der Zeit. Den Ort, wo die Toten den Lebenden begegnen. Sie wünschte sich, sie könnte die Stadt sehen, obwohl ihr klar war, wie absurd der Wunsch war; selbst wenn sie die Stadt finden würde (und sie würde sie nicht finden; sie war nur eine Sterbliche), dann war es gefährlich dort, die Stadt war womöglich der gefährlichste Ort auf der ganzen Erde. Doch sie wurde von diesem mysteriösen Ort auf eine Weise angezogen, wie sie sich als Kind in bestimmte Namen auf der Landkarte verliebt hatte: Mount Kosciusko, das Große Artesische Becken, die Tasman-See. Der Reiz des Exotischen, und gottlob war das kleine Wollongong-Mädchen [43] so und nicht anders gewesen. Und da hocke ich nun, dachte Lily, mit dieser Flinte auf den Knien.
    Sie würde die Stadt nie zu Gesicht bekommen. Aber Guilford würde sie wiedersehen. Das hatte Tom ihr gesagt. Guilford würde da sein, wenn die große Schlacht… es sei denn, seine zähe Liebe zur Welt hielt ihn zurück.
    »Guilford hängt an dieser Welt«, hatte Tom ihr erzählt. »Er liebt sie, als ob sie die Wirklichkeit war.«
    »Ist sie das nicht?«, hatte sie gefragt. »Selbst wenn die Welt nur aus Zahlen und Maschinen besteht… man kann sie doch trotzdem lieben?«
    »Sie schon, Mrs. Law«, hatte Tom eingeräumt. »Unsereins darf so nicht denken.«
    Die Hindus sprechen von Erlösung, oder waren es die Buddhisten? Der Welt entsagen. Dem Begehren entsagen. Wie schrecklich, dache Lily. Schrecklich, so etwas von einem Menschen zu verlangen, zumal von Guilford Law, der die Welt nicht nur liebte, sondern auch wusste, wie zerbrechlich sie war.
    Das alte Gewehr auf ihren Knien wog so schwer, als sei es eingeschlafen. Nichts regte sich da draußen bis auf die Sterne über der Bucht, ferne Sonnen, die durchs All glitten.
     

     
    Abby kauerte unbewaffnet in einer Ecke, die vom Schein der Kerzen kaum erhellt wurde. Irgendwann nach Mitternacht kam Guilford und hockte sich neben sie. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Ihre Haut lag kühl unter der heißen Handfläche.
    Sie sagte: »Hier werden wir nie mehr zu Ruhe kommen.«
    »Wenn es sein muss, Abby, gehen wir weg von hier. Weiter nach Norden, unter einem anderen Namen…«
    »Ach ja? Auch wenn wir woanders hingehen, wo uns keiner kennt – was dann? Willst du zusehen, wie ich alt werde? Zusehen, wie ich sterbe? Zusehen, wie Nicholas alt wird? Willst du auf das Wunder warten, das dich hierher verschlagen hat, damit es dich wieder fortnimmt?«
    Er setzte sich erschrocken auf den Boden.
    »Du kannst mir nichts mehr vormachen. Du siehst immer noch aus als wärst du keine dreißig.«
    Er schloss die Augen. Du stirbst nicht, hatte sein Geist ihm verraten, und er hatte erlebt, wie seine Wunden auf wundersame Weise verheilt waren, erlebt, wie die Grippe ihm nichts anhaben konnte, während seine kleine Tochter daran gestorben war. So oft hatte er sich dafür gehasst.
    Doch die meiste Zeit hatte er sich verstellt. Und was Abby betraf, Abby, die älter wurde, Abby, die sterben würde…
    Seine Verletzungen verheilten rasch, aber das hieß nicht, dass er nicht getötet werden konnte. Manche Wunden waren unwiderruflich, dessen war sich auch Tom bewusst. Eine Zukunft jenseits von Abby konnte er sich nicht vorstellen, da würde er sich lieber von einer Klippe stürzen oder sich den Lauf einer Schrotflinte in den Mund schieben. Jeder hatte ein Recht aufs Sterben. Keiner verdiente ein Jahrhundert voller Gram.
    Abby schien seine Gedanken zu

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