Das 2. Buch Des Blutes - 2
Die Leute auf der Straße, die an ihm vorbeigingen, -rannten, -sprangen, die mit ihm zusammenprallten, ohne sich zu entschuldigen, die seinem Blick voll Verachtung begegneten, die seinen massigen Körper belächelten, der sich in dem schlecht sitzenden Anzug unpassend und verquer ausnahm. Wenn die nur wüßten, was er machte, was er war und was er bei sich trug!
Aufgepaßt! sagte er zu sich und drehte das Licht aus. Die Wohnung war dunkel. Er ging zur Tür und öffnete sie, gewohnt, in der Schwärze voranzuschreiten, in der er sich wohlfühlte.
Die Regenwolken hatten sich gänzlich verflüchtigt. Mahogany ging seinen Weg die Amsterdam runter, Richtung U-Bahn-Station an der 145. Straße. Heut nacht würde er wieder die Avenue-of-the-Americas-Linie nehmen, seine Ueblings-strecke, und oft die ergiebigste.
Die U-Bahn-Stufen hinunter, die Tarifmarke in der Hand.
Durch die automatischen Türschleusen. Jetzt hatte er den Geruch des Tunnels in der Nase. Freilich nicht den der tiefen Tunnels. Die hatten einen ganz eigenen Duft. Aber selbst die schale, elektrisierende Luft dieser hochgelegenen Strecke ließ sein Selbstvertrauen wieder erstarken. Der x-fach ausgetauschte Atem von einer Million Fahrgästen zirkulierte in diesem Stollengehege und mischte sich mit dem Atem weit älterer Geschöpfe, Wesen mit Stimmen so sanft wie Töpferton, deren Gelüste abscheulich waren. Wie er das liebte. Den Duft, die Finsternis, das Getöse.
Er stand auf dem Bahnsteig und sondierte kritisch die anderen Fahrgäste. Bei einem oder zwei Körpern überlegte er, ob er ihnen folgen solle. War doch ziemlich schundiges Material: kaum der Pirsch wert. Ausgebrannter Körperschrott, schwammig, abgeschlaftt. Leiber, zugrundegerichtet durch Ausschweifung, durch Abstumpfung. Als Profi machte ihn das ganz krank, obwohl er Verständnis hatte für verweichlichende Schwächen, die die besten Menschen versauten.
Er hielt sich über eine Stunde in der Station auf und schlenderte zwischen den Bahnsteigen umher, während die Züge ein- und abfuhren, und die Leute mit ihnen. So wenig erste Wahl drunter. Sah ganz danach aus, als müsse er von Tag zu Tag länger warten, bis sich verwertbares Fleisch auftreiben ließ.
Es war jetzt fast halb elf, und er hatte nicht ein einziges Exemplar zu Gesicht bekommen, das wirklich optimal zum Schlachten getaugt hätte.
Egal, sagte er sich, es war ja noch Zeit. Sehr bald würde die Welle der Theaterbesucher anrollen. Unter denen waren immer einer oder zwei saftig durchwachsene Körper. Diese wohlgenährten Intelligenzler, hielten die Fahrmarke umklammert und schwafelten dogmatisch über die Zerstreuungen der Kunst - oh doch, da war sicher was zu holen.
Wenn nicht - und es gab Nächte, da sah es so aus, als würde er niemals etwas Geeignetes finden -, dann mußte er sich weiter ins Stadtzentrum wagen und dort ein Liebespaar abpassen, das so spät noch unterwegs war, oder ein, zwei Sportler auftreiben, die gerade vom Trainieren kamen. Die gaben mit Sicherheit stets gutes Material ab, nur daß man bei solch kerngesunden Schlachtstücken stets mit dem Risiko einer Gegenwehr rechnen mußte.
Er erinnerte sich, wie er vor einem Jahr oder früher zwei schwarze Böcke gefangen hatte, der eine so um die vierzig Jahre älter als der andere, Vater und Sohn vielleicht. Sie hatten sich mit Messern zur Wehr gesetzt, und ihn hatte man darauf sechs Wochen lang ins Krankenhaus gesteckt. Es war ein harter Nahkampf gewesen, und er hatte anschließend an seinen Fähigkeiten gezweifelt. Schlimmer noch, er war nachdenklich geworden: Wie wohl seine Meister mit ihm verfahren wären, wenn er eine tödliche Verletzung davongetragen hätte. Hätte man ihn seiner Familie in New Jersey überstellt und ihm ein angemessenes christliches Begräbnis verschafft? Oder hätte man seinen Kadaver in die Finsternis geworfen, zu ihrer höchstpersönlichen Verwendung?
Mahogany fiel die Schlagzeile einer liegengelassenen »New York Post« auf dem Sitz ihm schräg gegenüber ins Auge: POLIZEI IM GROSSEINSATZ - JAGD AUF KILLER. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Seine um Versagen, Weichwer-den und Tod kreisenden Gedanken lösten sich in nichts auf.
Schließlich war er dieser Mann, dieser Killer, und heute nacht war der Gedanke daran, ergriffen zu werden, einfach lächerlich. War denn seine Lebensaufgabe nicht von den höchsten Autoritäten abgesegnet? Kein Polizist konnte ihn festhalten, kein Gerichtshof verurteilen. Eben jene Träger von Recht und
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