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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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den schauerlichen Gewaltakt im nächsten Waggon vor Augen. Natürlich hatte er schon Foto-grafien von Mordopfern gesehen, aber das nebenan war kein xbeliebiger Mordfall. Er war im selben Zug wie der U-Bahn-Schlächter, dieses Ungeheuer, das seine Opfer enthaart und nackt mit den Füßen nach oben an den Halteschlaufen auf-knüpfte.
    Wie lange würde es dauern, bis der Killer durch diese Tür trat und sein Leben forderte? Wenn der Schlächter ihn nicht erledigte, dann würde es die bloße Bedrohung tun, dessen war er sich sicher.
    Er hörte eine Bewegung hinter der Tür.
    Jetzt übernahm der Instinkt das Ruder. Kaufman zwängte sich tiefer unter die Sitzbank und krümmte sich zu einer kleinen Kugel zusammen, das speiübel-weiße Gesicht zur Wand gekehrt. Dann legte er die Hände über den Kopf und drückte seine Augen so fest zu wie ein Kind in namenloser Angst vorm Schwarzen Mann.
    Die Tür wurde aufgeschoben. Klick. Wusch, Luft, in jähem Schwall von den Gleisen rauf. Sie roch anders als jede, die Kaufman vorher gerochen hatte - und kälter. Das war wie…
    wie Urluft, was ihm da in die Nase stieg; feindselige und unergründliche Luft. Sie ließ ihn erschauern.
    Die Tür schloß sich. Klick.
    Der Schlächter war ganz nah, Kaufman wußte das. Es konnte nicht anders sein; allenfalls stand er Zentimeter weit entfernt von dem Platz, an dem er lag.
    Schaute er jetzt gerade auf Kau f man s Rücken runter ? Bückte er sich gerade, das Messer in der Hand, um Kaufman aus seinem Versteck herauszuschälen wie eine Schnecke, die man aus ihrem Haus herauspult?
    Nichts geschah. Er spürte keinen Atem auf seinem Nacken, Sein Rückgrat wurde nicht aufgeschlitzt.
    Lediglich das Getrappel von Füßen nah bei seinem Kopf; dann das gleiche Geräusch, als sie sich wieder entfernten.
    Kaufman stieß den Atem, den er in den Lungen zurückgehalten hatte, mit rauhem Zischen zwischen den Zähnen hervor.
    Mahogany war beinah enttäuscht, daß der Schlafende an der 14. Straße West ausgestiegen war. Er hätte heute nacht zu gern noch eine weitere Nummer absolviert, damit er was zu tun hatte, während sie weiter hinabfuhren. Aber nein: Der Mann war fort. So gesund hatte der Kandidat ohnehin nicht ausgesehn, sagte er sich, war wohl ein blutarmer jüdischer Buchhalter. Das Fleisch hätte nicht die Bohne Qualität gehabt. Mahogany ging durch den Waggon zur Fahrerkanzel. Den Rest der Strecke würde er dort zubringen.
    Mein Gott, dachte Kaufman, jetzt bringt er den Fahrer um.
    Er hörte, wie die Tür zur Kanzel aufging. Dann die Stimme des Fleischers: leise und heiser.
    »Grüß dich.«
    »Grüß dich.«
    Die kannten sich.
    »Alles erledigt?«
    »Alles erledigt.«
    Die Banalität dieser einsilbigen Begrüßung verstörte Kaufman zutiefst. Alles erledigt? Was sollte das heißen: Alles erledigt?
    Die nächsten paar Worte bekam er nicht mit, weil der Zug gerade über einen Schienenabschnitt rollte, der besonders viel Lärm machte.
    Kaufman konnte es nicht mehr aushaken: Er mußte jetzt hinschauen. Vorsichtig-ängstlich entknäulte er sich und guckte über die Schulter zum Ende des Waggons. Die Beine des Schlächters und den unteren Teil der offenen Kanzeltür, mehr konnte er nicht sehen. Verdammt. Er wollte wieder das Gesicht des Ungeheuers sehen.
    Jetzt hörte er Gelächter.
    Er kalkulierte die Risiken seiner Lage: die Mathematik des Schreckens. Wenn er weiter blieb, wo er war, würde der Schlächter über kurz oder lang zu ihm runtergucken - und Hackfleisch aus ihm machen. Andererseits liefe er, wenn er sich aus seinem Versteck herausbegab, Gefahr, gesehen und gejagt zu werden. Was war schlimmer: untätig zu bleiben und sich dem Tod festgenagelt in einem Loch auszusetzen oder gleich sich ihm in die Arme zu werfen und seinem Vollstrecker mitten im Waggon gegenüberzutreten?
    Kaufman war von seinem Kampfgeist selber überrascht: Er würde sich rauswagen.
    Unendlich langsam kroch er unter der Sitzbank hervor und behielt währenddessen jede Minute den Rücken des Schlächters im Auge. Als er endlich heraußen war, begann er, Richtung Verbindungstür zu kriechen. Jeder Schritt, den er machte, war eine Tortur, aber der Schlächter war anscheinend viel zu sehr in seine Unterhaltung vertieft, um sich umzudrehen.
    Kaufman hatte die Tür erreicht. Er stand langsam auf und versuchte dabei unablässig, sich auf den Anblick vorzubereiten, dem er in Waggon zwei ausgesetzt sein würde. Die Klinke war jetzt fest in seiner Hand; und er schob die Tür auf.
    Der Lärm

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