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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Eigentümern lagen. Der Boden unter seinen Füßen war klebrig vor trocknen-der Galle. Selbst durch die Schlitze der zugekniffenen Augen konnte er das Blut in den Eimern überdeutlich sehen: Es war dick und berauschend, sandige Schmutzteilchen wirbelten darin.
    Er war jetzt an dem Burschen vorbei und konnte vorn die Tür zu Waggon drei sehen. Dieser Spießrutenlauf des Horrors, er mußte ihn nur noch zu Ende bringen. Er trieb sich selber weiter, versuchte, die Greuel nicht zur Kenntnis zu nehmen und sich auf die Tür zu konzentrieren, die ihn aus dem Irrsinn hinausführen würde.
    An der ersten Frau war er vorbei. Noch ein paar Meter, sagte er sich, höchstens zehn Schritte, weniger, wenn ihn nur sein Selbstvertrauen nicht verließ.
    Da gingen die Lichter aus.
    »O mein Gott«, sagte er.
    Der Zug kam ins Schlingern, und Kaufman verlor das Gleichgewicht.
    In der äußersten Schwärze langte er nach einem Halt, und seine rudernden Arme umfingen den Körper neben ihm. Ehe er es verhindern konnte, fühlte er, wie seine Hände in das lauwarme Fleisch einsanken und seine Finger in die offene Schnittkante des Muskelfleischs auf dem Rücken der Toten griffen, seine Fingerspitzen die blanke Wirbelsäule berührten. Gegen seine Wangen drückte das kahle Fleisch des Schenkels.
    Er schrie; und eben als er schrie, gingen die Lichter flackernd wieder an.
    Kaum waren sie aufgeflackert und sein Schrei erstorben, hörte er das Geräusch der Schlächterfüße, wie es sich näherte, Waggon eins entlang, auf die Zwischentür zu.
    Er ließ den Körper los, den er umarmt hielt. Sein Gesicht war mit Blut vom Bein der Frau beschmiert. Er konnte es auf seiner Wange spüren wie eine Kriegsbemalung.
    Der Schrei hatte Klarheit geschaffen in Kaufmans Kopf, und plötzlich fühlte er sich befreit in eine Art Stärke eintauchen. Zu einer Hetzjagd durch den Zug würde es nicht kommen, soviel war sicher; keine Feigheit mehr, nicht zu diesem Zeitpunkt.
    Das hier lief auf eine elementare Konfrontation hinaus, zwei menschliche Wesen, von Angesicht zu Angesicht. Und es gab keinen Trick - nicht einen -, den er nicht in Betracht ziehen durfte, um seinen Gegner zu überwinden. Hier ging’s ums nackte Überleben, schlicht und einfach.
    Rütteln am Türgriff.
    Kaufman sah sich ruhigen Auges nach einer Waffe um, gezielt und abwägend. Sein Blick fiel auf den Kleiderstapel neben der Leiche des Puertoricaners. Da war ein Messer, es lag unter den Straßringen und den Talmi-Goldketten. Eine langklingige, makellos saubere Waffe, wahrscheinlich der ganze Stolz, die Freude ihres Besitzers. Kaufman beugte sich, am muskulösen Körper vorbei, vor und zog das Messer aus dem Haufen. Es fühlte sich gut an in seiner Hand; es fühlte sich tatsächlich richtig aufregend an. Die Tür ging auf, und das Gesicht des Schlächters kam zum Vorschein.
    Hinter der Schlachthausszenerie im Vordergrund nahm Kaufman Mahogany ins Visier. So furchtbar angsteinflößend war er nicht, einfach ein langsam kahl werdender, übergewichtiger Mann um die Fünfzig. Sein Gesicht war massig und die Augen lagen tief. Der Mund war verhältnismäßig klein, die sensiblen Lippen waren zart geschwungen. Wirklich, er hatte den Mund einer Frau.
    Mahogany konnte nicht begreifen, woher dieser Eindringling aufgetaucht war, aber er war sich im klaren, daß dies ein weiteres Versehen, ein weiteres Zeichen seiner zunehmenden Unzulänglichkeit war. Er mußte diesen Lumpenhund sofort umbringen. Schließlich waren sie bereits zwei, drei Kilometer vom Streckenende entfernt. Er mußte den Kleinen abmurksen und dafür sorgen, daß er an den Fersen baumelte, ehe sie die Endstation erreichten.
    Er betrat Waggon zwei.
    »Warst eingeschlafen«, sagte er; er hatte Kaufman wiedererkannt. »Hab’ dich gesehn.«
    Kaufman sagte nichts.
    »Hättest aussteigen sollen. Hast wohl geglaubt, du kannst dich vor mir verstecken?«
    Kaufman hüllte sich weiter in Schweigen.
    Mahogany umfaßte den Griff des Hackmessers, das von seinem abgenutzten Ledergürtel herabhing. Es war butver-schmiert wie seine Kettenpanzerschürze, sein Hammer und seine Säge.
    »Wie die Dinge nun mal liegen«, sagte er, »bin ich gezwungen, dich zu beseitigen.«
    Kaufman hob das Messer. Es nahm sich ein bißchen klein aus neben dem monströsen Gerät des Schlächters.
    »Scheu? drauf«, sagte er.
    Der Kleine machte Anstalten zur Gegenwehr; dafür hatte Mahogany nur ein Grinsen übrig.
    »Du hättest das hier nicht sehen sollen: Das ist nichts für

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