Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
eisenhart gepackt und am Wurzel-grund herausgedreht, Zu Tod erschrocken, ließ er das Hackmesser fallen. Er versuchte zu schreien, aber es kam kein Laut.
    Blut füllte ihm den Rachen, er hörte sein Fleisch reißen, und unerträgliche Schmerzen durchkrampften ihn.
    Dann war die Hand aus seinem Mund heraus, und die scharlachroten, speichelbedeckten Finger hielten ihm zwischen Daumen und Zeigefinger seine Zunge vors Gesicht.
    Kaufman war sprachlos.
    »Diene«, sagte der Vater, stopfte sich die Zunge in den Mund und kaute offenkundig zufrieden auf ihr herum. Kaufman fiel auf die Knie und kotzte sein Sandwich aus.
    Schon schlurrte der Vater in die Dunkelheit davon; die restli-chen Altvordern waren in ihren Labyrinthen verschwunden bis zur nächsten Nacht.
    Die Lautsprecher knisterten.
    »Nach Hause«, sagte der Fahrer.
    Die Türen zischten zu, und das Geräusch des plötzlichen Energieschubs durchströmte den Zug. Die Lichter gingen fiak-kernd an, dann aus, dann wieder an.
    Der Zug setzte sich in Bewegung.
    Kaufman lag am Boden, und die Tränen liefen ihm übers Gesicht, Tränen der Vernichtung und der Ergebung. Bestimmt würde er verbluten, hier, wo er lag. Es machte nichts, wenn er starb. Die Welt war sowieso schlecht und gemein.
    Der Fahrer weckte ihn. Kaufman öffnete die Augen. Das Gesicht, das auf ihn runterschaute, war schwarz und nicht unfreundlich. Der Mann grinste. Kaufman versuchte, etwas zu sagen, aber sein Mund war mit vertrocknetem Blut versiegelt.
    Wie ein sabbriger Quasselbruder stieß er ruckartig den Kopf herum und versuchte, ein Wort auszuspucken. Nur Gegrunze kam.
    Tot war er nicht. Verblutet war er nicht.
    Der Fahrer zog ihn hoch, daß er auf die Knie kam, und sprach mit ihm wie mit einem Dreijährigen.
    »Hast ‘ne Mordsaufgabe, mein Guter: Sie sind echt angetan von dir.«
    Der Fahrer hatte sich die Finger naßgeleckt und rieb mit ihnen ober Kaufmans geschwollene Lippen, versuchte, sie voneinander zu lösen.
    »Gibt ‘ne Menge zu lernen bis morgen nacht…«
    Menge zu lernen. Menge zu lernen.
    Er führte Kaufman aus dem Zug hinaus. Sie waren in einer Station, die er niemals zuvor gesehen hatte. Sie war weiß gekachelt und makellos rein; das Nirwana eines jeden Stations-vorstehers. Kein Graffito entstellte die Wände. Es gab keine Fahrmünzautomaten, aber schließlich gab es auch keine Eintrittsschleusen und Passagiere. Dies hier war ein Grenzposten, der nur einen einzigen Gegenstand der Wartung vorsah: den Fleischzug.
    Eine Frühschicht Putzleute war bereits damit beschäftigt, das Blut von den Sitzbänken und vom Boden des Zuges mit Schläuchen wegzuspritzen. Jemand zog den Leichnam des Schlächters bis auf die Haut aus, um ihn für den Transport nach New Jersey vorzubereiten. Rings um Kaufman war alles bei der Arbeit.
    Ein Regen morgendlichen Lichts ergoß sich durch einen Gitterrost in der Decke der Station. Staubteilchen schwebten in den Strahlen und wirbelten im Ringelreihen. Kaufman sah ihnen hingerissen zu. So etwas Schönes hatte er seit seinen Kinderta-gen nicht mehr gesehen. Wunderschöner Staub. Rundum im Ringelreihen,, rundherum.
    Dem Fahrer war es gelungen, Kaufmans Lippen voneinander zu trennen. Der Mund war zu schwer verletzt, um ihn zu bewegen, aber zumindest fiel so das Atmen leichter. Und der Schmerz begann schon abzuklingen.
    Der Fahrer lächelte ihn an und wandte sich dann an die Arbeiter der Station.
    »Möcht’ euch gern Mahoganys Ersatz vorstellen: unser neuer Schlächter«, gab er bekannt.
    Die Arbeiter schauten Kaufman an. In ihren Gesichtern zeichnete sich eine gewisse Hochachtung ab, was er recht anspre-chend fand.
    Kaufman sah zum Sonnenlicht hinauf, das jetzt rings um ihn herabfiel. Er ruckte mit dem Kopf, um anzudeuten/ daß er raufgehen wollte, raus ins Freie. Der Fahrer nickte und fahrte ihn eine steile Treppenflucht hinauf, weiter durch eine schmale Passage und auf diesem Weg hinaus auf den Bürgersteig.
    Es war ein schöner Tag. Den Himmel über New York durchmaserten blasse, pinkfarbene Wolkenfädchen, und die Luft roch morgendlich.
    Die Straßen und Avenues waren so gut wie leer. In einiger Entfernung überquerte ein vereinzeltes Taxi eine Kreuzung, der Motor klang wie ein Gewisper. Drüben auf der anderen Straßenseite quälte sich ein Jogger vorbei.
    Sehr bald würden diese verlassenen Gehsteige voll sein mit sich drängenden Menschenmassen. In völliger Ahnungslosigkeit würde die Stadt zur Tagesordnung übergehen - und niemals wissen, worauf sie erbaut war

Weitere Kostenlose Bücher