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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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mit monotoner Regelmäßigkeit. Aus dieser fatalistischen Philosophie heraus schien er zu leben, und er ließ Angriffe auf seine Männlichkeit, seinen Ehrgeiz und seine Würde von seinem Ego abperlen wie das Regenwasser von seinem Glatzkopf.
    Das Geyatter hatte gehört, wie Polos Frau ihrem Mann alles gestand (es hing verkehrt herum am Beleuchtungskörper, unsichtbar wie immer), und die Szene hatte es zusammenzuk-ken lassen. Da stand die aufgewühlte Sünderin, bettelte darum, angeklagt, angeschrien, ja geschlagen zu werden, und statt ihr gehässig Genugtuung zu geben, hatte Polo nur mit den Achseln gezuckt und sie, ohne sie mit einem Wort zu unterbrechen, ihren Fall darlegen lassen, bis sie nichts mehr zu enthüllen hatte. Endlich war sie dann gegangen, mehr aus Frustration und Kummer als aus Schuldgefühl; das Fehlen jeglicher rechtschaffener Wut bei ihrem Mann hatte sie schwer gekränkt; das Geyatter hatte es gehört, wie sie es dem Badezimmerspiegel erzählte. Kurze Zeit später stürzte sie sich vom Balkon des Roxy-Kinos.
    In mancherlei Hinsicht kam dem Furienwesen ihr Selbstmord ganz gelegen. Jetzt, da die Frau tot war und die Töchter das Zuhause verlassen hatten, konnte es durchdachtere Tricks aushecken, um sein Opfer zu entnerven, ohne immer drauf achten zu müssen, seine Gegenwart vor Geschöpfen geheimzu-halten, auf die es die Mächte nicht abgesehen hatten.
    Aber die Abwesenheit der Frau hatte zur Folge, daß das Haus tagsüber leerstand, und das wurde bald zu einer Stumpfsinnslast, die das Geyatter kaum erträglich fand. Die Stunden von neun bis fünf, sie schienen endlos, wenn man allein im Haus war. Vermotzt, trübselig stromerte es dann herum und dachte sich verstiegene und abstruse Racheakte aus für den Polo-Mann, schritt totentraurig die Zimmer ab, nur begleitet von den klickenden und surrenden Geräuschen des Hauses, wenn die Heizkörper abkühlten oder der Kühlschrank sich ein- und ausschaltete. Rasch wurde die Lage derart desperat, daß das Eintreffen der Mittagspost zum Höhepunkt des Tages wurde, und unerschütterliche Melancholie senkte sich jedesmal auf das Geyatter herab, wenn der Postbote nichts einzuwerfen hatte und einfach zum nächsten Haus weiterging.
    Mit der Rückkehr Jacks gingen die Spiele dann ernstlich los.
    Die übliche Aufwärmroutine: Jack an der Tür abfangen und verhindern, daß sein Schlüssel sich im Schloß umdreht. Das Kräftemessen dauerte so ein, zwei Minuten, bis Jack zufällig den Blockierungsschwerpunkt des Geyatters herausfand und für diesen Tag Sieger blieb. Drinnen dann brachte es alle Lampenschirme zum Schwingen. Normalerweise nahm der Mann diese Darbietung nicht zur Kenntnis, ganz gleich, wie heftig das Geschaukel auch war. Allenfalls zuckte er eventuell mit den Achseln, murmelte im Flüsterton was vom Sichsenken der Grundmauern und hängte unweigerlich sein »Che sera, sera« dran.
    Im Badezimmer hatte das Geyatter bereits den Toilettensitz rundum mit Zahnpasta garniert und die Handbrause mit durchweichtem Toilettenpapier verstopft. Er duschte sogar gemeinsam mit Jack, hing dabei ungesehn an der Stange, die den Duschvorhang hielt, und raunte ihm obszöne Eingebun-gen ins Ohr. Das funktioniere immer, schärfte man den Dämonen auf der Akademie ein. Unfehlbar verstörten die eingeflüsterten Obszönitäten die Klienten, machten sie glauben, daß sie sich diese verabscheuungswürdigen Akte selbst ausdachten und trieben sie zum Ekel vor sich selbst, dann zur Ablehnung ihrer selbst und schließlich zum Wahnsinn. In wenigen Fällen gerieten die Opfer durch diese geraunten Ein-gebungen sogar derart in Erregung, daß sie auf die Straße liefen und sie ausagierten. Unter solchen Umständen wurde das Opfer häufig verhaftet und eingesperrt. Das Gefängnis führte dann zu weiteren Verbrechen und zum langsamen Hinschwinden der moralischen Reserven - der Sieg war auf diesem Weg sicher. Und auf diese oder eine andere Art kam letztlich der Irrsinn zum Vorschein.
    Nur daß sich aus irgendeinem Grund diese Regel auf Polo nicht anwenden ließ; er war nicht zu beunruhigen: ein Boll-werk der Anständigkeit.
    In der Tat fiel, wie die Dinge lagen, dem Geyatter die Rolle dessen, der zusammenbrach zu. Es war müde; sosehr müde.
    Endlose Tage lang die Katze quälen, die Witzseiten aus der gestrigen Zeitung lesen, die Spielserien im Fernsehen beglot-zen: das laugte das Furienwesen aus. Neuerdings hatte es eine Leidenschaft für die Frau entwickelt, die Polo gegenüber auf der

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