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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Robinson: Sieht ein Segel und muß es dann an seiner Insel vorbeigleiten lassen.
    Lächerlich! Dies war doch nicht sein Gefängnis. Er konnte hinausgehen, wann’s ihm paßte. Noch diese Nacht würde er rausgehn und kein Robinson mehr sein.
    Eigentlich wollte er Laceys Brief auf dem Schreibtisch liegenlassen, dann überlegte er es sich aber anders. Er hatte versprochen, die Interessen des Jungen zu wahren, und das wollte er auch tun. Notfalls würde er den Brief selber aufgeben.
    Er machte sich auf den Rückweg zur Werkstatt, ohne sich auf irgendwas besonders zu konzentrieren. Vage durchschwebten hauchdünne Strähnen der Beklommenheit seinen Organismus und behinderten seine Reaktionen. Seufzer steckten ihm in der Kehle, Gram verdüsterte sein Gesicht. »Dieser verfluchte Ort«, sagte er laut, und er meinte nicht die Wände und die Gänge, sondern die Falle, die sie darstellten. Er fühlte, daß«
    hier sterben könnte: seine guten Absichten hübsch um ihn aufgereiht wie Blumen um eine Leiche, und keiner würde es erfahren oder sich drum kümmern oder es beklagen. Idealismus war hier Schwäche, Mitleid verweichlichende Nachsicht.
    Beklommenheit war alles: Beklommenheit und.,.
    Schweigen.
    Das war’s, was nicht stimmte. Das Fernsehen hallte und kreischte zwar noch immer den Gang entlang, aber nur Schweigen begleitete es. Keine anfeuernden Pfiffe, kein Protestgekreisch.
    Redman sauste zur Halle zurück und den Gang zum Aufenthaltsraum hinunter. In diesem Gebäudeabschnitt war Rauchen gestattet, und der Bereich stank nach kaltem Zigarettenrauch.
    Weiter vorn lief das Gemetzel in unverminderter Lautstärke weiter. Eine Frau schrie den Namen von irgend jemand. Ein Mann antwortete und wurde vom Feuerstoß einer Gewehr-salve umgenietet. Halberzählte Geschichten hingen in der Luft.
    Er erreichte den Raum und öffnete die Tür.
    Das Fernsehen redete ihn an. »Hinlegen!«
    »Er hat ‘ne Waffe!«
    Noch ein Schuß.
    Die Frau, blond, mit großen Brüsten, bekam die Kugel ins Heiz und starb auf dem Gehsteig neben dem Mann, den sie geliebt hatte.
    Die Tragödie nahm ohne Zuschauer ihren Lauf. Der Aufenthaltsraum war leer, die alten Lehnstühle und die mit eingeritz-ten Graffiti übersäten Hocker waren um den Fernsehapparat herum aufgestellt - für ein Publikum, das diesmal eine bessere Abendunterhaltung hatte. Redman ging im Zickzack zwischen den Sitzen nach vorn und schaltete den Apparat ab. Als die silbrig-blaue Fluoreszenz erlosch und das penetrante Gestampfe der Musik abgewürgt war, wurde er in der Dunkelheit, in der jähen Stille einer Gestalt an der Tür gewahr.
    »Wer ist das?«
    »Slape, Sir.«
    »Du solltest doch bei Lacey bleiben.«
    »Er mußte gehn, Sir.«
    »Gehen?«
    »Er ist davongerast, Sir. Hab’ ihn nicht aufhalten können.«
    »Hol dich der Teufel! Was soll das heißen, du hast ihn nicht aufhalten können?«

Redman ging wieder durch den Raum zurück und blieb dabei mit dem Fuß an einem Hocker hängen. Er knarzte übers Linoleum, ein zarter Protest.
    Slape zuckte zusammen. »Tut mir leid, Sir«, sagte er, »Er war zu schnell für mich. Ich hab’ ‘nen kaputten Fuß.«
    Stimmt. Slape humpelte wirklich.
    »Wo ist er hin?«
    Slape hob die Schultern.
    »Weiß nicht genau, Sir.«
    »Dann denk nach!«
    »Kein Grund zur Aufregung, Sir.«
    Das »Sir« war hingerotzt: allen Respekt verarschend. Redman juckte plötzlich die Hand, diesem halbwüchsigen Eiterpfropf eine reinzuhauen. Noch ein, zwei Meter bis zur Tür. Slape wich nicht zur Seite.
    »Aus dem Weg, Slape.«
    »Wirklich, Sir, Sie können ihm jetzt überhaupt nicht helfen. Er ist fön.«
    »Aus dem Weg, sag’ ich.«
    Er trat auf Slape zu, um ihn zur Seite zu stoßen, und - klicks!
    machte es: Auf Nabelhöhe drückte der Saukerl ein Schnapp-messer gegen Redmans Bauch. Die Spitze stach ins Fett über dem Gürtel.
    »Gibt wirklich keinen Grund, ihm hinterherzulaufen, Sir. t
    »Was um Himmels willen treibt ihr, Slape?«
    »Wir machen nur’n Spiel«, sagte er durch grau verfärbte Zähne. »Passiert niemand was Schlimmes. Am besten, Sie halten sich da völlig raus.«
    Die Messerspitze hatte Blut gezapft. Warm bahnte es sich seinen Weg zwischen Redmans Beine. Slape war bereit, ihn zu töten; ohne jeden Zweifel. Egal, was für ein Spiel das war, Slape jedenfalls hatte jetzt seine kleine Extraunterhaltung.
    Lehrerschlachten hieß sie. Mit unvermindertem Druck wurde das Messer ganz, ganz langsam durch Redmans Bauchdecke geschoben. Das kleine Blutrinnsal war zu

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