Das 2. Buch Des Blutes - 2
Stimmengemurmel.
Zwei Jungen näherten sich dem Stall, Respekt und Vorsicht lenkten jeden ihrer Schritte. Die Sau machte sie nervös, und das war ganz verständlich. Die Berichte über ihre tückischen Schliche waren Legion.
Sprach sie nicht, wenn sie aufgebracht war, mit jener besessenen Stimme, indem sie ihr fettes, schweinefleischiges Maul verkrümmte, um mit einer gestohlenen Zunge daraus zu reden? Stand sie nicht manchmal gern auf ihren Hinterbeinen, rosafarben und gebieterisch, und verlangte, daß man die klein-sten Jungen in ihren Schutz und Schatten sandte, nackt wie ihr Ferkelwurf, damit sie an ihr saugten? Und trommelte sie nicht gern mit ihren lasterhaften Klauen auf den Boden, bis die Nahrung, die sie für sie brachten, in appetitliche Happen geschnitten und zwischen zitterndem Zeigefinger und Daumen in ihren Rachen gestopft war? All diese Dinge tat sie.
Und schlimmere noch.
Heute abend hatten die Jungen, und das wußten sie, nicht das dabei, was sie wollte. Auf der Platte, die sie trugen, lag nicht das von ihr beanspruchte Fleisch. Nicht das süße, weiße Fleisch, um das sie mit jener anderen Stimme aus ihrem Repertoire gebeten hatte, das Fleisch, das sie, wenn sie sich’s wünschte, mit Gewalt nehmen konnte. Heute abend bestand die Mahlzeit einfach aus altem, im Küchentrakt stibitztem Schinkenspeck.
Das Nahrungsmittel aber, das sie wirklich dringlich ersehnte, das Fleisch, welches, um das Blut in der Muskulatur anzu-stauen, verfolgt und geängstigt worden, dann, wie man ein Steak klopft, grün und blau geschlagen worden war für ihren Hochgenuß, dieses Fleisch stand unter besonderem Schutz. Es würde einige Zeit kosten, es zum Schlachten hinzuschmeicheln.
Sie hofften, daß die Sau mittlerweile ihre Rechtfertigungen und Tränen akzeptieren und sie nicht in ihrer Wut verschlingen würde.
Einer der Jungen hatte, bis er an der Stallmauer angekommen war, seine Hosen vollgeschissen, und die Sau roch ihn. Ihre Stimme nahm aus Freude an der Pikanterie dieser Angst eine andere Klangfärbung an. Statt des leisen Schnaubens kamen höhere, hitzigere Töne von ihr, die sagten: Weiß schon, weiß schon. Kommt nur zu eurem Richter. Weiß schon, weiß schon.
Sie beobachtete die beiden durch die Torlatten, ihre Augen glitzerten wie Juwelen in der dunstig-trüben Nacht, strahlender als die Nacht, weil sie lebten, makelloser als die Nacht, weil sie begehrten.
Die Jungen knieten am Gatter, ihre Köpfe waren in flehentlicher Demut geneigt. Die Platte, die sie beide hielten, verdeckte leicht ein Fetzen schmuddeligen Musselins.
»Also?« sagte sie. Die Stimme drang an ihre Ohren, unverkennbar. Seine Stimme, aus dem Schweinemund.
Der ältere Bursche, ein junger Schwarzer mit Wolfsrachen, sprach leise auf die glänzenden Augen ein und machte so noch das Beste aus seiner Angst: »Es ist nicht das, was du verlangt hast. Es tut uns leid.«
Der andere Junge, dem die übervollen Hosen zu schaffen machten, murmelte gleichfalls seine Entschuldigung.
»Aber wir besorgen ihn dir. Ehrlich. Wir bringen ihn dir ganz bald, sobald wir können.«
»Warum nicht heute nacht?« fragte das Schwein.
»Weil ihn jemand schützt.«
»Ein neuer Lehrer. Mr. Redman.«
Die Sau schien alles schon zu wissen. Sie erinnerte sich an die Konfrontation über die Mauer hinweg und an die Art, wie er sie angestarrt hatte, als wäre sie ein zoologisches Exemplar. Also das war ihr Feind, dieser alte Mann. Sie würde ihn kriegen.
ja.
Die Jungen hörten ihr Rachegelöbnis und waren offensichtlich zufrieden, daß man ihnen die Angelegenheit abnahm.
»Gib ihr das Fleisch«, sagte der schwarze Junge.
Der andere stand auf und entfernte den Musselinfetzen. Der Schinkenspeck roch schlecht, aber die Sau gab trotzdem feuchte Begeisterungslaute von sich. Womöglich hatte sie ihnen verziehen.
»Los, mach schon, schnell!«
Der Junge nahm den ersten Streifen Schinkenspeck zwischen Zeigefinger und Daumen und bot ihn ihr an. Von der Seite her reckte die Sau ihr Maul zu ihm hinauf und fraß, dabei entblößte sie ihre gelblichen Zähne. Der Streifen war schnell weg. Der zweite, dritte, vierte, fünfte genauso.
Das sechste und letzte Stück nahm sie samt seinen Fingern, und sie schnappte dabei mit solcher Eleganz und Geschwindigkeit zu, daß der Junge nur noch aufschreien konnte, als ihre Zähne die dünnen Fingerglieder schmatzend durchbissen, um sie zu verschlingen. Er zog seine Hand über die Stallmauer zurück und beglotzte die Verstümmelung.
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