Das 2. Buch Des Blutes - 2
so anpacken lassen, wie wir das gewohnt sind. Arbeiten Sie sich erst mal richtig ein, bevor Sie anfangen, sich… *
»Einzumischen.«
Sie nickte. »Könnte man sagen. Sie machen sich Feinde.«
»Danke für den Hinweis.«
»Der Job ist auch ohne Feinde schon schwierig genug, das dürfen Sie mir glauben.«
Sie gab sich Mühe, versöhnlich zu wirken. Redman ignorierte das. Mit Feinden kam er zurecht, mit Lügnern nicht.
Das Zimmer des Direktors war abgeschlossen, jetzt schon eine ganze Woche lang. Hinsichtlich seines Verbleibens gingen die Erklärungen auseinander. Zusammenkünfte mit den Finanz-ausschüssen lautete die beim Personal bevorzugt propagierte Begründung, obwohl die Sekretärin behauptete, daß sie es nicht genau wisse. Jemand erwähnte seine Seminare an der Universität, die er abhielt, um einen Beitrag zur Erforschung der Probleme an Verwahrungszentren zu leisten. Womöglich hielt er gerade eines. Mr. Redman könne gern eine Nachricht hinterlassen, man würde sie an den Direktor weiterleiten.
In der Werkstatt wartete Lacey auf ihn. Es war Viertel nach acht: der Unterricht war längst aus.
»Was treibst du hier?«
»Warten, Sir.«
»Worauf?«
»Auf Sie, Sir. Ich wollt’ Ihnen einen Brief geben, Sir. An meine Mam. Schaun Sie, daß sie’n kriegt?«
»Du kannst ihn doch auf dem üblichen Weg schicken, oder? Gib ihn der Sekretärin, die gibt ihn auf. Du darfst zweimal pro Woche schreiben.«
Lacey machte ein langes Gesicht. »Sie lesen alles, Sir: falls man was Verbotenes schreibt. Und wenn man’s tut, dann verbrennen sie den Brief.«
»Und du hast was Verbotenes geschrieben?«
Er nickte.
»Was?«
»Über Kevin. Ich hab’ ihr alles über Kevin erzählt, was mit ihm passiert ist.«
»Bin mir nicht sicher, ob du das mit Henessey alles richtig siehst.«
Der Junge hob die Schultern, »‘s ist die Wahrheit, Sir«, sagte er ruhig, und es machte ihm offensichtlich nichts mehr aus, ob er Redman überzeugte oder nicht. »Es ist wahr. Er ist hier, Sir. In ihr.«
»In wem? Was redest du da?«
Womöglich sprach aus Lacey wirklich die reine Angst, wie es die Leverthal angedeutet hatte. Irgendwann mußte seine Geduld mit dem Jungen ein Ende haben. Und das schien jetzt so ziemlich erreicht.
Es klopfte an der Tür, und ein pickeliges Individuum namen*
Slape starrte ihn durch das Drahtfenster an.
»Komm rein!«
»Dringender Anruf für Sie, Sir. Im Sekretariat.«
Redman haßte das Telefon. Widerlicher Apparat: brachte nie was Erfreuliches.
»Dringend. Wer denn?«
Slape zuckte mit den Achseln und kratzte an seinem Gesicht herum.
»Bleibst so lang bei Lacey, ja?«
Slape wirkte alles andere als glücklich bei diesen Aussichten.
»Hier, Sir?« fragte er.
»Hier.«
»Ja, Sir.«
»Ich verlaß mich auf dich, also enttäusch mich nicht!«
»Nein, Sir.«
Redman wandte sich Lacey zu. Der verletzte Blick war jetzt eine Wunde; eine offene, als die Tränen kamen.
»Gib mir den Brief! Ich nehm’ ihn mit ins Geschäftszimmer.«
Lacey hatte den Umschlag in die Hosentasche gesteckt. Widerwillig fischte er ihn heraus und übergab ihn Redman.
»Sag danke!«
»Danke, Sir.«
Die Gänge waren wie leergefegt.
Es war Fernsehzeit, und die allabendliche Anbetung der Glotze hatte begonnen. Jetzt klebten sie wieder an dem Schwarzweißgerät, das den Aufenthaltsraum beherrschte, um sich die ganze Pampe der Krimi- und Actionserien, der Sport- und Unterhal-tungsserien, der Kriege-aus-aUer-Welt-Serien reinzuziehen, die Kinnladen offen, aber innerlich zu. Ein hypnotisiertes Schweigen hielt die versammelte Gesellschaft umklammen, bis Gewalt zu erhoffen war oder Sex sich andeutete. Dann würde der Raum ausbrechen in Pfiffe, Obszönitäten und anfeuernde Rufe, nur um während des nächsten Dialogs erneut in ungutes Schweigen zu versinken, in Erwartung des nächsten Schießeisens, der nächsten Brust. Gerade jetzt konnte er Schüsse und Musik hören samt ihrem Widerhall im Flur.
Das Geschäftszimmer war offen, aber die Sekretärin nicht anwesend. Vermutlich nach Hause gegangen. Die Uhr im Geschäftszimmer zeigte neunzehn nach acht. Redman stellte seine Armbanduhr nach.
Der Hörer lag auf der Gabel. Ganz gleich, wer ihn angerufen hatte, jedenfall hatte es ihm zu lang gedauert, und er hatte keine Nachricht hinterlassen. Zugegeben, er war erleichtert, daß der Anruf nicht so dringlich war, daß der Anrufer am Apparat wartete, aber jetzt war er irgendwie enttäuscht, nicht mit der Außenwelt sprechen zu können. Wie
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